Haus der bösen Lust (German Edition)
Schweinehälften rein und räuchern sie vierundzwanzig Stunden lang mit Hickory. Aber damals haben die Leut’ sogar die Holzkohle selbst herstellen müssen; man hat zwanzig, dreißig Klafter Holz übereinandergestapelt, die Mitte angezündet und das Ganze mit Grassoden bedeckt. Wissen Sie, wenn sich der Kohlenstoff von der Holzkohle mit ’m Roheisen vermischt, wird da draus Stahl. Das wusst’ man damals gar nich’, trotzdem hat man genau das gemacht. Und alles von Hand.«
Ziemlich kluger Kerl für ein Landei, dachte Collier. »Das sind ja ziemlich genaue Auskünfte. Woher wissen Sie so viel darüber?«
»Ich bin mit all dem Krempel um mich rum aufgewachsen, also hab ich nachgefragt. Die meisten Leut’ hier in der Gegend haben Ahnen bis zurück in die Zeit vorm Krieg. Man erfährt ’ne Menge, wenn man die richtigen Leut’ fragt.«
»Da ist was Wahres dran.« Collier war beeindruckt. Hinter dem Holzkohleschuppen erblickte er einen Stapel von Steinblöcken. Er ergriff einen Block. »Oh, das ist noch so eine Gussform, wie Ihre Mutter sie ausgestellt hat. Eine Scherenform.«
»Ja«, bestätigte Jiff. »Irgend ’n armer Teufel hat wahrscheinlich ’n ganzen Tag gebraucht, um eins von diesen Dingern zu meißeln.«
Doch Collier sah einen hohen Stapel davon. »Das ist ein mächtiger Haufen von Formen«, meinte er. »Man braucht zwei für jede Schere, oder? Das müssen genug für fünfzehn sein.«
»Ja, das is’ merkwürdig. Natürlich waren Scheren wichtige Werkzeuge, aber ich weiß nich’, warum der Schmied so viele Gussformen gemacht hat.«
»Fast wie eine Fertigungslinie. Ich wette, er hat mit diesen Blöcken Hunderte Scheren hergestellt.« Collier dachte darüber nach. »Ich frage mich, wieso.«
»Keine Ahnung, Mr. Collier. Komisch is’ nur, dass aufm Grundstück nur ’ne einzige Schere gefunden wurde – die in der Vitrine.«
Es schien eine unbedeutende Frage zu sein, dennoch ließ sie Collier nicht los. Wozu um alles in der Welt hat man all diese Scheren gebraucht?
»Ein, äh, nettes Auto«, meinte Jiff, als er in den Beetle stieg. »Ausländisches Fabrikat?«
Kichernd rollte Collier vom Hof. »Hat man mir beim Mietwagenbüro am Flughafen angedreht. Ich weiß, dass es lächerlich aussieht. Es ist ein Frauenauto.«
Jiff zog eine Augenbraue hoch.
Der Horizont verfinsterte sich, als sie den Hügel hinabfuhren, die Luft wurde kühler. Wieder sah Collier das Schild – Penelope Street –, und ihm fiel etwas ein. »Ist diese Straße nach Penelope Gast benannt?«
»Ja, Sir. Bestimmt haben Sie ihr Porträt im Haus gesehen. Sie war Harwoods durchgeknallte Frau.«
»Wieso sagen Sie ›durchgeknallt‹?«
Jiff seufzte zurückhaltend. »Nur weiteres übles Gerede. Wissen Sie, Mr. Collier, ich lieb’ diese Stadt und respektier’ sie. Deshalb lass’ ich’s bleiben, miese Gerüchte zu verbreiten.«
»Ach was, Jiff. Jeder Ort hat seine Folklore und ihre berüchtigten Personen – da ist doch nichts dabei. Ich habe den Eindruck, dass einige Aspekte von Harwood Gast ziemlich interessant sind. Für Sie mag das nur hundertfünfzig Jahre alter Klatsch sein, aber für mich ist es faszinierend. Lassen Sie mich raten: Sie hat sich zusammen mit Gast umgebracht, und jetzt spuken ihre Geister nachts durch das Haus.«
»Ne, ne. Es is’ nur so, dass sie nich’ unbedingt die anständigste Frau war, falls Sie verstehen, was ich mein’. Sie war mehrfach untreu.«
»Sexuell freizügige Frauen gab und gibt es in jeder Stadt, Jiff.«
»Ja, klar, aber sie war echt ’n mieses Stück, wenn man den Geschichten glaubt. Davon gibt’s jede Menge, und keine davon is’ gut. Aber sie zu erzählen, gibt mir’s Gefühl, ich würd’ schlecht über meine Heimat reden. Wir haben immer versucht, solches Zeug runterzuspielen. Es könnt’ die Stadt in Verruf bringen und dem Betrieb von meiner Ma schaden.«
Collier grinste und stachelte ihn an. »Kommen Sie, Jiff, lassen Sie mich nicht so zappeln.«
Jiff schüttelte den Kopf. »Na schön. Penelope Gast hat sich nich’ selbst umgebracht. Es war ihr Mann, der sie ermordet hat.«
»Wieso? Hatte er den Verstand verloren?«
»Ne, Sir, er hat sie getötet, weil er rausgefunden hat, dass sie mit ’m Kind von einem andern schwanger war. Sie müssen wissen, als sich die Bauarbeiten an der Eisenbahnstrecke der Grenze zu Georgia genähert haben, da war Gast oft mehrere Wochen am Stück nich’ zu Haus’. Und gegen End’ sogar mehrere Monate.«
»Je mehr Gleise verlegt wurden,
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