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Haus der Erinnerungen

Haus der Erinnerungen

Titel: Haus der Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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und charaktervoller Mann gewesen war, der unsere Liebe verdiente.
    So sah ich es am Nachmittag meines siebten Tages im Haus meiner Großmutter, als ich noch unter der Wirkung des letzten ›Besuchs‹ stand. Später erst wurde ich Zeugin von Ereignissen, die die Schauergeschichten, mit denen mein Großvater gelebt hatte, zu bestätigen schienen, mein Vertrauen erschütterten und quälende Zweifel in mir weckten. Ich sollte bald erfahren, daß der Victor Townsend, den ich bisher kennengelernt hatte, nicht derselbe Mann war, dem ich später begegnete. Bald sollte sich alles verändern.
    Bald sollte das Grauen, das in dem Haus in der George Street wohnte, sich zeigen.
    Mein Großvater schlief während unseres ganzen Besuchs. Während Elsie und Ed wie immer auf ihn einredeten und so taten, als könne er sie hören und jeden Moment reagieren, überlegte ich, wie ich mich ihm mitteilen sollte. Vielleicht war es ja doch so, daß er hörte und verstand. Zumindest konnte ich versuchen, mit ihm zu sprechen. Aber nicht im Beisein von Elsie und Ed. Was ich meinem Großvater zu sagen hatte, mußte ich ihm allein sagen. Die Frage war nur, wie ich meine Verwandten loswerden sollte. Durchsichtig und ausgezehrt lag er in den Kissen, Victors Sohn, der sich sein Leben lang seines Vaters geschämt, ihn gehaßt und sein Erbe gefürchtet hatte. Das mußte ich ändern.
    Aber es ergab sich keine Gelegenheit. Als die Besuchszeit um war, klappte Ed die Stühle wieder zusammen und stellte sie zu dem Stapel in der Ecke, während Elsie schon an der Tür stand und sich mit einer Schwester unterhielt. Ich blickte auf meinen Großvater hinunter und überlegte verzweifelt, wie ich einen Moment des Alleinseins mit ihm herbeiführen könnte.
    Als wir ein paar Minuten später durch den langen Korridor gingen, blieb ich plötzlich stehen. »Ich habe meine Handschuhe liegenlassen«, rief ich. »Ich lauf nur schnell zurück und hol sie.« Und schon machte ich kehrt.
    »Ed kann sie dir doch holen, Kind. Komm, wir setzen uns schon in den Wagen.«
    »Ach wo! Geht ihr nur voraus und heizt das Auto für mich an.« Ich rannte los, ehe sie weiteren Protest erheben konnte. Im Saal zurück, ging ich zuerst zum Fenster. Elsie stieg gerade in den Wagen und schlug die Tür hinter sich zu. Ich kehrte zum Bett meines Großvaters zurück. Es war ungewöhnlich ruhig im Saal. Die meisten Besucher waren gegangen, Schwestern und Pfleger gönnten sich eine Pause, ehe sie mit der Essensverteilung begannen.
    Ich setzte mich auf die Bettkante und suchte nach den richtigen Worten. Unsicher neigte ich mich zu meinem Großvater hinunter und flüsterte, den Mund dicht an seinem Ohr:
    »Großvater, ich bin's, Andrea. Kannst du mich hören ? Ich bin extra aus Los Angeles zu dir gekommen. Großvater, kannst du mich hören?«
    Ich blickte auf seine Brust. Der Rhythmus seines Atems änderte sich nicht. In seinem Gesicht regte sich nichts, die Lider lagen wie leblos über seinen Augen. Dennoch fuhr ich zu sprechen fort.
    »Großvater, du hast dich in deinem Vater getäuscht. Er war nicht der schlechte Mensch, für den du ihn dein Leben lang gehalten hast. Das waren Lügen. Victor Townsend war ein guter Mensch. Großvater...«

    Ich konnte nicht weitersprechen. Hastig sah ich mich im Saal um und ging nochmals zum Fenster. Elsie stieg gerade aus dem Wagen.
    Ich lief zu meinem Großvater zurück. »Großvater, hoffentlich kannst du mich hören.
    Ich sage dir die Wahrheit. Ich weiß die Wahrheit über deinen Vater. Er war kein Mensch, dessen man sich schämen muß. Bitte, Großvater, hör mich! Victor Townsend war ein guter, liebevoller Mensch, der anderen helfen wollte. Großvater -«
    Als ich draußen im Korridor die kräftige Stimme meiner Tante hörte, rutschte ich hastig vom Bett auf den Boden und tat so, als suchte ich eifrig meine Handschuhe. »Andrea«, sagte Elsie und kam um das Bett herum. »Ach, hier sind sie endlich!« rief ich und hielt die Handschuhe hoch, die ich aus meiner Tasche genommen hatte. »Sie sind mir wahrscheinlich vom Schoß gerutscht und unters Bett gefallen. Na, wenigstens sind sie wieder da.«
    »Vielleicht sollte ich sie dir an eine lange Schnur nähen, die du um den Hals tragen kannst. Dann verlierst du sie nicht so leicht.«
    Lachend hakte ich mich bei ihr ein. »Wenn mein Kopf nicht festgewachsen wäre...«, sagte ich, und wir gingen hinaus. Ich wollte noch einen letzten Blick auf meinen Großvater werfen, aber die zufallende Tür versperrte mir die

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