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Haus der Erinnerungen

Haus der Erinnerungen

Titel: Haus der Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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jedenfalls war der Eindruck, den ich erhielt. Ich konnte zwar nicht gerade ihre Gedanken lesen, doch ihre Stimmung teilte sich mir deutlich mit. Genauso war es mir ja schon mit Victor und seinem Vater und später auch mit Jennifer ergangen.
    Ich beobachtete Harriet gespannt, und während ihre Feder noch wie gejagt über das Papier flog, begann sie langsam vor meinen Augen zu verblassen, bis sie und die grünen Samtsessel verschwunden waren und wieder die alten ausgesessenen Sessel mit den geblümten Schonbezügen vor mir standen. Ich war enttäuscht über die Kürze der Szene und noch enttäuschter, Victor nicht gesehen zu haben. Aber er lebte ja nun nicht mehr in diesem Haus und besuchte es vermutlich nur selten. Aber wo war er ? Hatte er sich irgendwo eine Wohnung genommen oder ein Zimmer, oder lebte er immer noch im Gasthaus Horse's Head ?
    Nichts an Harriets kurzem Auftritt hatte mir einen Hinweis darauf gegeben, wieviel Zeit seit Victors Heimkehr verstrichen war. Ich hatte keine Ahnung, was sich inzwischen ereignet hatte, ob er sich überhaupt noch in Warrington aufhielt. Noch eine andere Frage beschäftigte mich. Wozu war Harriet mir soeben gezeigt worden ? Welchen Sinn hatte es, wenn überhaupt einen, mich Zeugin dieser flüchtigen Szene werden zu lassen ? Ich kam nicht dazu, gründlicher über diese Frage nachzudenken;
    im nächsten Augenblick hörte ich einen schrecklichen Schrei. Ich sprang auf. Der Schrei hatte mich so überrascht, daß ich nicht wußte, aus welcher Richtung er gekommen war.
    Dann polterte es laut, als wäre ein Möbelstück umgestürzt. Ich sah zur Zimmerdecke hinauf.
    Die Geräusche kamen von oben. Ich hörte Füßescharren und Stampfen, als würde da oben ein Kampf ausgetragen. Es krachte und polterte, und wieder schallte ein Schrei durch das Haus.

    Der Schrei einer Frau. Ohne weitere Überlegung stürzte ich aus dem Wohnzimmer in den Flur. Ich blickte in die Schwärze des Treppenschachts hinauf und horchte angespannt.
    Wieder drangen von oben die Geräusche eines Handgemenges zu mir herunter. Ich hörte das gedämpfte Klatschen eines Schlags, danach wieder ein Krachen. Und wieder schrie die Frau auf, mit einer Stimme, die schrill war vor Angst.
    Ich verlor keine Zeit. Obwohl ich nicht die Hand vor den Augen sehen konnte, rannte ich stolpernd die Treppe hinauf. Zweimal fiel ich, die letzten paar Stufen kroch ich auf allen vieren hinauf. Oben angekommen, richtete ich mich auf und lehnte mich keuchend an die Wand.
    Die Finsternis und die Stille waren bedrohlich. Ich tastete an der Wand nach dem Lichtschalter, fand ihn und drückte ihn herunter. Aber es geschah nichts. Es blieb stockfinster.
    Wie eine Besessene fummelte ich am Schalter herum und suchte gleichzeitig mit fassungslosem Blick an der dunklen Decke nach der Lampe. Ich sah nichts, und das Licht ging nicht an. Ich war von undurchdringlicher Schwärze umgeben, die mir angst machte, so daß ich mich schutzsuchend an die Wand drückte. Während ich so stand, zu geängstigt, um einen Schritt vorwärts zu wagen, hörte ich wieder die Geräusche eines Kampfes, lauter jetzt.
    Irgendwo am Ende des Flurs, vielleicht im vorderen Schlafzimmer, rangen ein Mann und eine Frau miteinander - dumpfe Schläge, Poltern, eine wütende Männerstimme, und immer wieder die Schreie und das Wimmern der Frau.
    Die Finsternis war so dicht, daß ich das Gefühl hatte, am Eingang einer unermeßlich großen Höhle zu stehen. Obwohl mir vor Angst eiskalt war, trieb es mich jetzt vorwärts. Ich mußte sehen, was sich dort hinten abspielte. Ein fremder Wille ergriff Besitz von mir und lenkte meine Schritte. Wie eine Schlafwandlerin tappte ich durch den finsteren Flur, den schrecklichen Geräuschen entgegen. Dicht vor der Tür zum Vorderzimmer blieb ich stehen und hob den Arm. Meine Hand berührte das harte, kalte Holz der Tür. Die Stimmen aus dem Zimmer waren jetzt deutlich vernehmbar. »Nein, bitte nicht«, wimmerte Harriet. »Bitte, es tut mir leid... tu's nicht...«
    Ich drückte die Augen zu und preßte beide Hände auf die Ohren, aber sie konnten mich vor der erregten Stimme des Mannes nicht schützen. »Du heiratest keinen Papisten!«
    donnerte er. »Du wirst es nicht wagen, gegen meinen Willen zu handeln.« Angstvoll und verwirrt sah ich mich in der Dunkelheit um und versuchte zu begreifen, was vorging. Harriets Stimme konnte ich klar erkennen, doch die Männerstimme konnte ich nicht identifizieren. Sie konnte Harriets Vater gehören. Oder John. Oder -

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