Haus der Lügen - 8
Andererseits erkannte er die Handschrift wieder. Die hatte er sehr wohl schon einmal gesehen.
Na ja , dachte er nach kurzem Stocken. Wenigstens ging es diesmal ohne Scherben.
Er stellte den Whisky ab und setzte sich. Einige Sekunden lang starrte er den Briefumschlag an. Dann zuckte er mit den Schultern und griff danach.
Beim letzten Mal hatte der Umschlag dieses Absenders mehrere Bögen Papier enthalten. Dieses Mal fand Gahrvai nicht nur zwei, sogar drei handgezeichnete Karten. Dieses Mal aber ging es nicht um versteckte Räume in Klöstern. Die Karten bezogen sich allesamt auf die Stadt Telitha in der Grafschaft Storm Keep. Das Erste, was Gahrvai betrachtete, war eine sehr detaillierte Stadtkarte mit zahlreichen Anmerkungen, Namen und Adressen. Einige dieser Namen kannte Sir Koryn bereits; andere hatte er noch nie gehört. Aber er vermutete, wenn er sich mit dem restlichen Schreiben befasste, würde er herausfinden, worum es dabei ging. Die zweite Karte war ein Grundriss von Storm House, der Residenz des Grafen Storm Keep. Hier wiesen säuberlich gezeichnete Pfeile auf die Verstecke von Briefen und anderen als Beweismittel geeigneten Dokumenten hin sowie auf eine kleine Zimmerflucht, die mit ›Räumlichkeiten des Bischof-Vollstreckers‹ gekennzeichnet war. Und die dritte Karte ...
Sir Koryns Augen leuchteten, als er die Lagerhäuser erkannte und anhand weiterer, ebenso säuberlich eingezeichneter Pfeile die Ecken und Winkel fand, in denen gut getarnt Kisten aufgestapelt waren, die ihren Weg nach Corisande über Zebediah genommen hatten.
Wisst Ihr, als Ihr uns das erzählt habt, habe ich Euch eigentlich nicht geglaubt, Seijin Merlin , dachte er und nippte an seinem Whisky, bevor er sich daran machte, das Begleitschreiben zu lesen. Ach, vom Verstand her schon! Aber tief in meinem Herzen habe ich nicht geglaubt, dass es wirklich ein Netzwerk von Seijins geben soll, über die ganze Welt ausgebreitet. Aber ... Er blickte sich in seinem Studierzimmer um, betrachtete die verschlossenen Glastüren, durch die man den Garten erreichte, und dachte an die Wachen, die stets vor der Stadtvilla patrouillierten. Aber ich wüsste wirklich nicht, wer sonst hier hereingekommen sein und das für mich hinterlassen haben könnte.
Gahrvai stieß ein belustigtes Schnauben aus, nahm noch einen Schluck Whisky und ging dann wieder zur Tür seines Arbeitszimmers. Er öffnete sie und blickte sich nach dem dortigen Wachposten um.
»Ich brauche einige Boten, Corporal.«
»Jawohl, Sir! Wie viele?«
»Lassen Sie mich kurz nachdenken: einen für Sir Charlz Doyal, einen für meinen Vater, einen für den Grafen Tartarian und einen für Vizekönig-General Chermyn.« Bei jedem Namen hatten sich die Augen des Corporals ein wenig mehr geweitet. Doch er nickte nur, und Gahrvai lächelte ihm zu. »Sagen Sie Major Naiklos, ich brauche gute, zuverlässige Leute, von denen er weiß, dass sie auch den Mund halten werden. Bis die Boten hier sind, werde ich die entsprechenden Schreiben fertig haben. Ach, und suchen Sie mir Yairman Uhlstyn! Den hätte ich gern hier ... und wenn er jetzt schon wüsste, worum es geht, wäre das auch sein Wunsch.«
»Jawohl, Sir!«, wiederholte der Wachposten und eilte den Korridor hinab. Gahrvai blickte ihm hinterher. Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch, holte aus einer Schublade mehrere Bögen Papier hervor und begann zu schreiben.
»Was soll das Ganze denn, Koryn?«, grollte Sir Rysel Gahrvai, als er das Besprechungszimmer betrat. »Ich hatte mich gerade zur Ruhe begeben, als dein Bote gegen die Haustür gehämmert hat.«
»Es tut mir leid, dass ich dich stören musste, Vater, aber es hat sich etwas Dringendes ergeben.«
»Verdammt, du weißt genau, wie ich diese Formulierung verabscheue!«, grollte Graf Anvil Rock und stellte sich neben einen Sessel vor dem Schreibtisch seines Sohnes. »Seit mindestens zwei verdammten Jahren ergibt sich andauernd etwas Dringendes!«
Er ließ sich in den Sessel fallen und warf seinem ältesten Sohn, seinem absoluten Liebling, einen nicht sonderlich wohlwollenden Blick zu. Sein ehr- und absolut vertrauenswürdiger Ratskollege, Graf Tartarian, lachte leise in sich hinein. Das wiederum brachte auch ihm einen missbilligenden Blick Anvil Rocks ein.
»Sie finden das amüsant, ja?«, verlangte er in gestrengem Ton zu wissen. Sein Blick aber verriet eine gewisse Belustigung. Möglicherweise. »Zufällig weiß ich, dass Sie ja sowieso immer die Nacht zum Tage machen, statt zu einer
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