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Haus der Lügen - 8

Haus der Lügen - 8

Titel: Haus der Lügen - 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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lächelte sie an. »Ja, so viel wissen wir. Und es sieht ganz so aus, als hätte mir Thirsk letztendlich doch vergeben, ihn und seine Männer nach der Schlacht in der Klippenstraße auf dem Armageddon-Riff ausgesetzt zu haben.«
    Der Kaiser brachte sogar ein leises Lachen zustande, und Merlin verkniff sich ein Schnauben. Er war dabei gewesen, als Cayleb dem Grafen Thirsk sein Ultimatum übermittelt hatte. Er wusste auch, dass der Kaiser sich zumindest gewisse Sorgen gemacht hatte, wie Thirsk wohl reagieren würde, wenn die ersten Charisianer gezwungen wären, vor ihm zu kapitulieren.
    Thirsk hatte Manthyr und seine Offiziere und Mannschaften nach allen Regeln des Anstands behandelt, die das safeholdianische Kriegsrecht vorsah. Seine Heiler hatten sich um Manthyrs Verwundete ebenso gründlich gekümmert wie um Thirsks eigene Männer, und die überlebenden Offiziere wurden überaus höflich und zuvorkommend behandelt. Eigentlich hatte Merlin von Thirsk auch nichts anderes erwartet. Dennoch war er erleichtert, diese Erwartung auch bestätigt zu sehen.
    Und es wäre eine noch viel größere Erleichterung, sicher sein zu können, dass man Thirsk auch gestatten würde, es weiterhin so zu halten , dachte Merlin grimmig. Das ist ein weiterer Grund, ihn nicht einfach umbringen zu lassen, verdammt!
    Erneut verkniff er sich ein Schnauben und fragte sich, warum er die Vorstellung so abstoßend fand, jemanden umbringen zu lassen, den er respektierte, ja sogar bewunderte. Denn auf dem Schlachtfeld würde er denselben Mann einfach erschlagen, ohne sich sonderlich Gedanken darüber zu machen.
    Jeder braucht wohl irgendetwas, woran er sich festhält. Und es ist ja auch nicht so, als gäbe es keine logisch nachvollziehbaren Gründe, Thirsk nicht einfach aus dem Weg zu räumen! Wenn wir das täten und offensichtlich wäre, dass der Graf bei einem Attentat ums Leben gekommen wäre, dann würde das nur den Verdacht eines jeden erhärten, der glaubt, Cayleb sei für das Attentat auf Hektor verantwortlich. Und das wäre noch nicht einmal das Schlimmste: Räumt man Thirsk aus dem Weg, schafft das lediglich Platz für einen anderen, vielleicht einen seiner ›Jünger‹ – jemanden, der schon seine eigenen Theorien und Pläne aufgestellt hat, so wie Hahlynd. Der ›Neue‹ mag dann vielleicht nicht so gut sein wie Thirsk, aber wahrscheinlich doch gut genug. Und außerdem lässt Thirsk seine Gefangenen anständig behandeln – bislang zumindest. Können wir es uns leisten, jemanden von der Gegenseite einfach umzubringen, der fest entschlossen ist, in derart ehrenhafter Art und Weise zu handeln? Vor allem angesichts dessen, was Clyntahn den Wylsynns und ihren Freunden angetan hat?
    Merlin musste sich eingestehen, dass das vielleicht seine größte Sorge war. Würde man Thirsk gestatten, seine Gefangenen zu behalten? Oder würde man sie in die Obhut der Kirche geben?
    Zum ersten Mal hat die Kirche die Gelegenheit, einen ganzen Haufen charisianischer ›Ketzer‹ in die Finger zu bekommen, und ich bete zu Gott, dass sie nicht das tun, was ich befürchte. Wie Clyntahn das Vikariat ›gesäubert‹ hat, war schon schlimm genug. Wenn er nun beschließt, das zu der Art Glaubenskrieg zu machen, wie Terra sie nur allzu oft erlebt hat, und bei denen Gräueltaten unweigerlich zu weiteren Gräueltaten führen, auch seitens der Charisianer ...
    »Was denkt Ihr, wie Clyntahn darauf reagieren wird, Merlin?«, fragte Lock Island, fast als hätte er Merlins Gedanken gelesen. Der Seijin zuckte mit den Schultern.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete er offen und ehrlich. »Es gibt so viel dabei, was ich nicht weiß. Aber eines weiß ich genau.«
    »Was denn?«, bohrte Cayleb nach, als Merlin schwieg.
    »Ich weiß genau«, gab Merlin zurück, »dass wir Seamount und Howsmyn antreiben sollten, endlich diese neuen Granaten in Serie zu fertigen.«

 
    September,
    im Jahr Gottes 894

.I.
    Sir Koryn Gahrvais Stadtvilla und Königlicher Palast, Stadt Manchyr, Fürstentum Corisande
    Ein Glas chisholmianischen Whiskys in der Hand, kam Sir Koryn Gahrvai in sein Studierzimmer und trat an den Schreibtisch heran. Mit der freien Hand drehte er den Docht der Öllampe ein wenig weiter heraus. Einer seiner Diener hatte sie bereits früher am Abend für ihn entzündet. Sir Koryn wollte den Whisky gerade auf der Tischplatte abstellen, da erstarrte er.
    Auf dem Schreibtisch lag ein Briefumschlag. Koryn hatte ihn nicht dorthin gelegt. Er hatte ihn sogar noch nie zuvor gesehen.

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