Haus der Lügen - 8
gehalten hatte. Er hatte auch wahrgenommen, dass besagte Lehren in den Reihen der corisandianischen Reformisten sehr viel Zuspruch erfuhren.
Und das ist der eigentliche Grund, warum du diese Mistkerle zu fassen kriegen willst, Vater , dachte Gahrvai voller Zuneigung. Weil du ihnen nicht einmal so weit traust, wie du gegen den Wind spucken kannst! Weil du ganz genau weißt, dass Leute wie Craggy Hill, Barcor oder Zebediah eben nicht versuchen, eine schwierige Situation zu verbessern ... es sei denn, sie würden sie dabei auch für sich verbessern.
»Du wolltest doch auch den Vizekönig-General informieren, oder nicht?«, fragte sein Vater nach, und Koryn nickte.
»Ja, Vater.« Kaum merklich zuckte er mit den Schultern. »Zunächst einmal, weil es meine Pflicht ist, ihn zu informieren, und zum anderen, weil ich es für durchaus möglich halte, dass er selbst ein ganz ähnliches Schreiben erhalten hat.« Gahrvai gestattete sich ein schiefes Grinsen. »Unter diesen Umständen erschien es mir sehr ratsam, entsprechend vorzugehen. Auch wenn ich ihm mitgeteilt habe, ich würde mich mit dir und dem Grafen Tartarian zu einer Besprechung zusammensetzen, und ihr beide würdet ihn dann über die diesbezügliche Entscheidung des Regentschaftsrats in Kenntnis setzen.«
»Ganz schön taktvoll, was?«, merkte sein Vater an, dann blickte er zu Tartarian hinüber. »Also, Taryl, ich habe nicht das Gefühl, als hätten wie hier allzu viel zu entscheiden , so sehr Koryn sich auch bemühen mag, unsere Gefühle zu schonen. Mir will auch nicht ratsam erscheinen, dafür den ganzen Rat zusammenzurufen. Das fällt eindeutig in die Zuständigkeit der Krone, und in meiner Funktion als Regent trage derzeit ich sie. Abgesehen davon sind wir, wie Koryn gerade angemerkt hat, verpflichtet, Chermyn zu informieren und in dieser Angelegenheit rückhaltlos mit ihm zu kooperieren.« Er verzog das Gesicht. »Eine Folge der Eide, die wir und das Parlament Cayleb und Sharleyan geleistet haben. Sehen Sie das auch so?«
»Mit der einschränkenden Anmerkung, dass niemand in Zion oder im Tempel je diese Eide als bindend ansehen wird? Ja«, antwortete Tartarian milde.
»Pah!« Anvil Rock schnaubte verächtlich und schüttelte den Kopf. » Natürlich sehen die diese Eide als nicht bindend an! Um bei der Wahrheit zu bleiben, Taryl, interessiert mich diese verdammte ›Vierer-Gruppe‹ keinen feuchten Kehricht mehr. Dieser ganze Schlamassel ist einzig und allein die Schuld dieses Dreckskerls Clyntahn! Und Großinquisitor hin oder her, wenn der sich wirklich dafür interessiert, was Gottes Wille ist, dann bin ich der gottverdammte Großherzog von Harchong!«
Gahrvai riss die Augen auf. Trotz allem, was er bislang über Anvil Rocks Einstellung zur Kirche von Charis gedacht hatte, war das aus dem Munde seines Vaters mit Abstand die deutlichste Aussage über die derzeitigen Herren im Tempel. In dieser Deutlichkeit hatte Koryn nie damit gerechnet. Aber, ebenso überraschend: Es verwunderte ihn nicht.
Er blickte Tartarian an und schrak vor Überraschung zusammen. Denn Tartarian blickte Anvil Rock an ... und lächelte .
»Hat ein bisschen gedauert, bis Sie das herausgefunden haben, was, Rysel?«
»Seine Mutter«, mit dem Daumen deutete Anvil Rock in Richtung seines Sohnes, »hat schon immer gesagt, ich sei manchmal ein bisschen schwer von Begriff. Aber eines sage ich Ihnen, Taryl: Ehe wir erleben, dass sich jemand wie Großvikar Erek oder dieses mordlüsterne Arschloch Clyntahn so weit von seiner Heimat entfernt und beispielsweise nach Corisande reist, friert die Hölle zu! Denen ist es doch scheißegal, was mit uns hier draußen passiert, meinen Sie nicht?«
»Doch«, erwiderte Tartarian ruhig. »Aber das wusste ich immer schon. Andererseits habe ich nicht für möglich gehalten, dass sich das irgendwann einmal ändert.«
»Na ja, ich eigentlich auch nicht«, gestand Anvil Rock. »Und das habe ich auch noch gedacht, als Cayleb vom Alten Charis aus hierher gesegelt ist und uns so fest in den Hintern getreten hat, dass uns der Arsch zu den Ohren wieder rausgekommen ist. Religiöse Reformen? Drachenscheiße! Altmodische imperialistische Politik mit einer neuen Rechtfertigung, nichts anderes schien mir das zu sein! Darin wird wohl auch, glaube ich, zumindest ein Körnchen Wahrheit sein ...«
»Wenn da nicht Erzbischof Maikel wäre, nicht wahr?«, beendete Tartarian den Satz für ihn, und Anvil Rock nickte.
»Es gibt Erzbischof Maikel, und dann gibt es Priester
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