Haus der Lügen - 8
schwierig, Flotten mit einem genau koordinierten Zeitplan auf große Fahrt zu schicken. Denn es gab schließlich Kleinigkeiten wie das Wetter, und das konnte auf hoher See für deutlich mehr Schwierigkeiten sorgen als bei Armeen, die Gewaltmärsche über Land zurücklegten.
»Sie wollen also etwa einhundertzwanzig unserer Galeonen an Tarot vorbei nach Desnairia schicken«, sagte er. »Laut Allayn wird ein Viertel dieser Schiffe gänzlich unbewaffnet sein. Bei keinem unserer Schiffe ist die Besatzung so ausgebildet, wie Graf Thirsk das bei seinen Leuten geschafft hat. Wenn die erwähnten sechzig bis siebzig Charisianer es schaffen sollten, unsere Schiffe abzufangen, ist fraglich, wie gut die neunzig voll bewaffneten sich schlagen werden, Zhaspahr. Es gefällt mir ebenso wenig, das auszusprechen, wie es Ihnen recht sein kann, das zu hören«, setzte er rasch hinzu, als sich Clyntahns Gesicht verfinsterte, »aber wir müssen realistisch bleiben. Unserer Flotte ist kein Vorwurf zu machen. Es war einfach nicht die Zeit, anständig zu trainieren.«
»Da hat Rhobair nicht Unrecht«, bemerkte Trynair.
»Ja-a-a«, bestätigte Maigwair gedehnt. Die anderen blickten ihn an, und er hob die rechte Hand, den Zeigefinger ausgestreckt. »Ja«, wiederholte er, »aber wir haben die Semaphoren.«
»Und?«, forderte Duchairn ihn zum Weitersprechen auf, als der Captain General daraufhin schwieg.
»Zunächst einmal«, erklärte Maigwair, »sollten wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite haben, wenn wir die Schiffe tatsächlich verlegen – allein schon der Entfernung wegen! Aber nehmen wir einmal an, die charisianischen Spione hier in den Tempel-Landen haben Zugang zu allen auf den Handel bezogenen Nachrichten, die wir über die Semaphoren weiterleiten. Vielleicht haben sie auch nur ein Netzwerk von Brief-Wyvern, mit dem sie Nachrichten übermitteln. Ist letztendlich auch egal. Ganz offenkundig haben sie auf jeden Fall Spione hier irgendwo im System, richtig?«
Duchairn nickte, unwillkürlich beeindruckt. Eigentlich neigte Allayn Maigwair ganz und gar nicht dazu, Dinge gründlich zu durchdenken.
»Also gut. Dann senden wir unseren Geschwadern in der ganzen Hsing-Wu-Passage Anweisungen. Wir fassen diese in einem Code ab, von dem wir wissen, dass ihn die Charisianer in Delferahk oder in Corisande bereits geknackt haben. Wir weisen die Schiffe an, sich vor Engelberg zusammenzuziehen, sagen aber, das sei nur ein Ablenkungsmanöver. Sie sollten sich dort zusammenziehen, damit alle charisianischen Spione glaubten, wir würden die Schiffe nach Desnairia schicken. Stattdessen sollten sie sich darauf vorbereiten, nach Dohlar zu segeln. Selbst wenn die Nachricht nicht irgendwo entlang der Semaphorenkette abgefangen werden sollte, können wir uns doch darauf verlassen, dass ein Besatzungsmitglied erzählt, dass es nach Dohlar gehe, sobald die Männer in Engelberg an Land gehen. Also wird auch jeder charisianische Spion von diesem Ziel erfahren. Und was die Vorbereitung dieser Fahrt angeht, ist es eigentlich egal, ob es nun nach Dohlar oder nach Desnairia geht.«
Nun funkelten seine Augen regelrecht vor Enthusiasmus.
»Die Tarngeschichte lautet also, dass unsere Schiffe sich auf eine Überfahrt nach Westen vorbereiten sollen. Jeder Spion, der sie in der Kapellenbucht entdeckt, wird höchstwahrscheinlich erfahren, dass sie den Befehl haben, Dohlar anzusteuern. Wir aber verraten nicht einmal unseren Admirälen die Wahrheit, bevor sie tatsächlich in See stechen. Dann nutzen wir die Semaphoren, um ihnen den eigentlichen Marschbefehl zu übermitteln. Das sollte doch sicherstellen, dass wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite haben. Die Charisianer müssten derweil von dem ursprünglichen Einsatzbefehl erfahren haben und dürften vielleicht sogar ihre Einheiten verlegen, um Chisholm und Corisande zu schützen!
Wenn die Schiffe erst einmal gen Osten aufgebrochen sind, weisen wir die Desnairianer per Semaphoren an, zu ihnen zu stoßen. Wir werden Desnairia diesen Befehl rascher übermitteln können, als die Charisianer ihre Geschwader anzuweisen vermögen, sich zu sammeln. Also wird Lock Island idealerweise immer noch in der Rock Shoal Bay vor Anker liegen, während Rock Point und seine fünfundzwanzig Schiffe zwischen ungefähr siebzig desnairianischen Galeonen aus dem Süden und hundert bis hundertzwanzig Schiffen aus Harchong und den Tempel-Landen aus dem Norden eingekesselt wird.«
»Ein sehr guter Gedanke, Allayn«, gratulierte
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