Haus der Lügen - 8
genauer unter die Lupe nehmen müssen, so ist das! Wenigstens jemand wie ich hätte hellhörig werden müssen, weil sie sich dabei nach allen Seiten so sehr abgesichert haben!«
Der Ton des untersetzten Fürsten klang so bitter, wie Merlin es noch nie bei ihm erlebt hatte. Der Zorn über dieses eigene Versäumnis war unverkennbar, als er erst einmal tief Luft holte, ehe er weitersprach.
»Wie ich schon sagte, wir hätten begreifen müssen, dass sie sich etwas in dieser Art überlegen würden«, sagte er, nun deutlich gefasster. »Noch einmal: Sie schauen sich die Praxis der Nachrichtenübermittlung an, die sie kennen, und kommen zu folgendem Schluss: Jemand muss verschlüsselte Botschaften übermittelt haben, getarnt als Geschäftsbriefe oder persönliche Schreiben. Die ›Vierer-Gruppe‹ könnte dergleichen nur verhindern, indem sie jegliche Benutzung der Semaphoren zu weltlichen Zwecken untersagte. Das würde einige Schwierigkeiten mit sich bringen – ganz zu schweigen davon, dass es für die Kirche zu empfindlichen Einnahmeeinbußen führen würde. Darüber hinaus wissen sie, dass man auch ein alternatives Kommunikationssystem improvisieren kann. Zum Beispiel mit Hilfe von Brief-Wyvern.«
Nahrmahn schwieg einen Moment, und Cayleb stieß ein Schnauben aus. Damals, als der Prinz von Emerald noch zahlreiche hinterhältige Pläne schmiedete, König Haarahld und Kronprinz Cayleb von Charis ermorden zu lassen, war sein wichtigster Agent in Tellesberg einer der angesehensten Lieferanten von Jagd-und Brief-Wyvern im ganzen Königreich gewesen. Das hatte Nahrmahn – oh Zufall! – auch gleich die Möglichkeit geboten, rasch und unauffällig die Kommunikation zwischen Charis und Emerald aufrechtzuerhalten.
»Die ›Vierer-Gruppe‹ dürfte davon ausgehen, wir hätten Spione in die Tempel-Lande eingeschleust. Weiterhin dürften sie überzeugt davon sein, dass diese Spione Informationen ebenso rasch – fast zumindest – an uns weiterleiten können, wie sie selbst ihre Informationen mit Hilfe der Semaphoren verbreiten. Daher war es nur eine Frage der Zeit, bis sie Vorsichtsmaßnahmen träfen. Und genau das ist hier geschehen. Clyntahn und Konsorten haben ihren Kapitänen aufgetragen, Kurs nach Westen zu nehmen, weil sie damit gerechnet haben, dass unsere Spione davon erfahren und uns umgehend darüber unterrichten. Von Anfang an bestand die Absicht, die Marschbefehle in allerletzter Minute zu ändern.«
»Prinz Nahrmahn hat Recht, Eure Majestäten«, sagte Rahzhyr Mahklyn aus seinen Gemächern in Tellesberg. »Es ergibt auf jeden Fall Sinn.«
»Ja, richtig«, bestätigte Merlin. »Und vielleicht wird es mir dadurch irgendwann leichter fallen, daran zurückzudenken, dass sie uns damit aufs Kreuz gelegt haben. Aber das hilft kein Stück bei der Entscheidung, was wir jetzt unternehmen!«
»Nein, da habt Ihr Recht«, stimmte Cayleb grimmig zu.
»Um ehrlich zu sein, gibt es nicht allzu viel, was wir unternehmen können «, sagte Lock Island. »Kohdy Nylz und Eure Verstärkung liegen kaum einen Fünftag hinter Euch und Sharleyan, und der Wind kommt stetig aus Westen. Selbst wenn wir mit ihm in Echtzeit kommunizieren könnten – und ihm auch noch erklären, wie wir das hinbekommen haben –, wird er noch mindestens einen Monat brauchen, eher noch sieben oder acht Fünftage, um wieder hierher zurückzukommen.«
»Weil ich so darauf beharrt habe, er solle sich beeilen!«, bemerkte Cayleb düster.
»Wenn Ihr nicht wollt, dass Merlin sich für Dinge kasteit, die nicht seine Schuld sind, dann solltet Ihr das auch nicht tun«, gab Lock Island unverblümt zurück. »Angesichts dessen, was wir alle zu wissen glaubten, habt Ihr genau die richtige Entscheidung getroffen. Die haben uns halt, wie Merlin es so schön ausgedrückt hat, aufs Kreuz gelegt.« Der High Admiral stieß ein raues Lachen aus. »Vorausgesetzt natürlich, dieser Ausdruck bedeutet das, was ich vermute.«
»Also dann: Gehen wir davon aus, dass die Marschbefehle, die Kholman und Jahras ausgehändigt wurden, keine gezielte Desinformationen sind. Dann legen Clyntahn und Konsorten es offensichtlich darauf an, Euch und Domynyk mit zwei Einheiten in die Zange zu nehmen«, meldete sich Sharleyan zu Wort. »Das Wichtigste ist also jetzt, dafür zu sorgen, dass genau das nicht geschieht.«
»Sehr richtig, Eure Majestät«, sagte Lock Island.
»Natürlich ist da immer noch dieses kleine Problem, wie siebenundzwanzig unserer Galeonen gegen hundertdreißig gegnerische
Weitere Kostenlose Bücher