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Haus der Lügen - 8

Haus der Lügen - 8

Titel: Haus der Lügen - 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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das hätten sein sollen. Aber keiner war einfallsreicher, weil er einen Pakt mit Shan-wei geschlossen hätte. Dessen war sich Paityr ganz sicher. Keine der Neuerungen, die zu begutachten man ihn gerufen hatte, stellte eine Verletzung der Ächtungen dar. Doch Clyntahn war nicht bereit gewesen, diese Schlussfolgerung zu akzeptieren – nicht, weil ihm konkrete Hinweise darauf vorlägen, in Wahrheit sei es eben doch anders, sondern weil jeglicher Anflug von unorthodoxem Verhalten der Bürger von Charis ein Angriff auf Clyntahns eigene Macht als Gottes persönlicher Vollstrecker war. Und schlimmer noch: Es vermochte eine Gefahr für das kuschelige, kleine Reich zu sein, das sich die Inquisition geschaffen hatte.
    Trotzdem hatte Paityr nicht damit gerechnet, dass es so plötzlich zu einem offenen Krieg zwischen dem Königreich Charis und den Rittern der Tempel-Lande kommen könne. Ganz unerwartet hatte er sich plötzlich zwischen zwei Stühlen wiedergefunden: hier sein Gehorsamseid dem Großinquisitor gegenüber, der nun einmal der oberste Herr des Schueler-Ordens war, und dort sein Gelübde, Gott zu gehorchen.
    Letztendlich war es keine Frage gewesen, für was beziehungsweise wen Paityr sich zu entscheiden hatte. Zufrieden war Paityr mit der Lage, in der er sich befand, dennoch nicht. Nicht einmal jetzt. Dabei hatte er mittlerweile ganz andere Aufgaben als zuvor. Ursprünglich hatte er sich bereit erklärt, Maikel Staynair als dessen Intendant zu dienen. Jetzt – und damit war ja nun wirklich nicht zu rechnen gewesen! – war er Leiter des Königlichen, mittlerweile Kaiserlichen Patentamts. Seine Aufgabe war nicht mehr, sicherzustellen, dass gewisse Neuerungen nicht gegen die Ächtungen der Jwo-jeng verstießen, oh nein! Jetzt gehörte dazu auch, Neuerungen gezielt zu fördern und voranzutreiben ... Hauptsache, sie verstießen nicht gegen die Ächtungen.
    Von Anfang an hatte Paityr befürchtet, das neue Amt erhöhe nur die Spannung zwischen seinen beiden Pflichten, der seinem Orden und der Gott gegenüber. Und so war es auch: Immer tiefer rutschte er in eine sozusagen charisianische Geisteshaltung hinein. Charis war auf Neuerungen angewiesen, um seinem Feind aus den Tempel-Landen widerstehen zu können. Auch dessen war sich Paityr von Anfang an bewusst gewesen. Die Folge: Paityr sah in jeglicher Innovation schon etwas, das von sich aus lohnenswert war. Eine derartige Einstellung war natürlich für jedes Kind Gottes gefährlich, aber vor allem für einen Priester, dessen Aufgabe es nun einmal war, die Einhaltung der Ächtungen sicherzustellen. Trotzdem war es ihm gelungen, mit diesen widerstreitenden Gefühlen zu leben ... bislang zumindest. Gewiss, Paityr bewunderte das Kaiserpaar von Charis und – vor allem – Maikel Staynair. Der ›ketzerische‹ Erzbischof von Charis war so fromm und gottesfürchtig, wie Paityr es selten erlebt hatte (selbst im ›Kreis‹ seines Vaters). Und so war Paityr seinem neuen Erzbischof in tiefer Hingabe verbunden, auch persönlich.
    Doch jetzt das!
    Noch einmal ging er in Gedanken den Brief durch. Er war in einer Geheimschrift abgefasst, die Paityr zusammen mit seinem Vater entwickelt hatte, bevor er nach Tellesberg aufgebrochen war. Daher bestand kein Zweifel an der Echtheit des Schreibens.
    ... deswegen wollte Dein Vater, dass ich zusammen mit den Kindern zu Hause bliebe. Ich fürchte um ihn, Paityr, aber wir werden trotzdem nicht zu Hause bleiben. Ich weiß nicht, was Du innerhalb der nächsten Monate aus dem Tempel oder aus Zion erfahren wirst. Ich rechne nicht damit, dass es gute Neuigkeiten sein werden. Aber wenn alles nach Plan läuft, werden die Kinder und ich dann nicht mehr dort sein. Eine Person, die ich kenne – und der ich vertraue – wird dafür sorgen, und ebenso dafür, dass letztendlich auch Erais, Fraihman und der kleine Samyl zu uns kommen. Ich weiß noch nicht genau, wie das vonstatten gehen wird, und selbst wenn ich es wüsste, würde ich es niemals schriftlich festhalten, nicht einmal in einem Brief, der allein für Dich bestimmt ist. Aber Du sollst wissen, dass ich alles – wirklich alles – in meiner Macht Stehende tun werde, um Deine Brüder und Deine Schwestern zu beschützen und sie wohlbehalten zu Dir zu bringen. Und Du sollst auch wissen, dass Dein Vater Dich liebt und sehr, sehr stolz auf Dich ist.
    Lysbet
    Paityr wusste, was dieser Brief zu bedeuten hatte. Er wusste nicht, ob das, was der Brief ankündigte, bereits passiert war. Aber er wusste, was

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