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Haus der Lügen - 8

Haus der Lügen - 8

Titel: Haus der Lügen - 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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Lock Island, der Schlund, Altes Königreich Charis
    »Also? Wie schlimm ist es dieses Mal?«, fragte High Admiral Bryahn Graf Lock Island, alles andere als fröhlich.
    Im Augenblick stand er auf einem Balkon aus Gusseisen, den man mit Bolzen am höchsten Turm der Festungsstadt befestigt hatte. Die Stadt auf Lock Island, jener Insel – zugleich des Admirals gesamte Grafschaft – war im Volksmund nur Das Schloss genannt worden, bis dieser Name auch offiziell hängen geblieben war. Der High Admiral selbst fand das recht einfallslos. Immerhin war die Stadt wohlhabend genug für einen richtigen Namen, und zugleich war sie auch der wichtigste Flottenstützpunkt des Alten Königreichs Charis. Andererseits war der Name recht treffend: Das Schloss befand sich mitten im Schlund. Der Schlund wiederum war der einzige Seeweg, über den ein Angreifer die Howell Bay erreichen konnte, das wahre Herz und zugleich der Lebensnerv des Alten Königreichs. Solange Charis Das Schloss zu halten vermochte, konnte niemand die Howell Bay einnehmen. Gelänge einem Feind, Das Schloss zu öffnen – zu knacken, sozusagen –, wäre das Alte Charis gänzlich schutzlos.
    Der Admiral blickte auf den Schlund hinaus und schaute zu, wie sich das morgendliche Sonnenlicht auf den Wellen und den weißen Schaumkronen brach. Klarer denn je stand ihm vor Augen, welchen Wert das Schloss besaß und wie verwundbar die Festungsstadt war.
    Im Laufe der Jahrhunderte hatte das Alte Charis ein Vermögen darauf verwendet, die Stadt Schloss und die beiden Festungen zu beiden Seiten des Schlundes – sinnigerweise hießen sie Die Schlüssel – immer weiter auszubauen. Doch so viel Arbeit und Geld auch in Steine und Katapulte – später dann Kanonen – gesteckt wurde, die eigentliche Aufgabe dieser Festungen bestand nur in einem: Sie sollten die wahren Verteidigungskräfte des Königreichs von reinen Schutzfunktionen entbinden. Denn die Festungen waren nur der Schild des Königreichs; das Schwert war die Navy.
    ›Charis’ Festung sind die hölzernen Schiffsrümpfe seiner Flotte.‹
    Das hatte König Zhan II. gesagt, vor mehr als hundertfünfzig Jahren. Damals war es natürlich mehr Prahlerei gewesen als Tatsachenbeschreibung. Zur Zeit König Zhans II. hatte der Aufstieg der Royal Charisian Navy zu Safeholds alles beherrschenden Seemacht gerade erst begonnen. Genau das zu werden, Seemacht, war Zhans Absicht gewesen. Er selbst und seine Nachfolger hatten die Absicht in die Tat umgesetzt. Solange jene Flotte, jene Navy, Wache an den charisianischen Küsten hielt, war das Alte Charis selbst eine einzige Festung.
    ›Die Festung Charis schuf einst kein geringerer als Gott.‹ Wieder so ein Ausspruch Zhans II., der Lock Island durch den Kopf schoss. König Zhans Vorliebe für Festungen hatte den Grafen schon immer zum Schmunzeln gebracht. Zhan hatte ganz Charis mit Festungen überziehen wollen, und so war es geschehen. Aber diese seltsame Vorliebe war strategisch durchdacht und hatte einer aufstrebenden Herrscherdynastie die Möglichkeit zur Festigung ihrer Macht verschafft.
    Lock Island war der Meinung, erst Zhan II. habe aus den Leuten in Charis Charisianer gemacht. Erst Zhan nämlich hatte ein Gefühl der Identität und Einheit von Land und Volk wachsen lassen, das aus einer Insel einen Staat machte.
    Wie er wohl über unsere derzeitige Lage denken würde? , fragte sich der High Admiral. Er wandte dem sonnenbeschienenen Gewässer den Rücken zu und lehnte sich gegen das hüfthohe Geländer. Dabei griff er hinter sich und hielt sich mit beiden Händen am Handlauf fest, fest entschlossen, sich zusammenzureißen. Dann hob er den Blick und schaute seine drei Gäste an.
    Rayjhis Yowance, seines Zeichens Graf Gray Harbor, war ein recht zierlicher, stets elegant gekleideter Mann. Er war deutlich kleiner als Lock Island. Sein drahtiger Körper verriet bereits, dass Yowance auf Geschwindigkeit und Ausdauer vertraute, nicht auf schiere Muskelkraft. Immer trat er makellos gepflegt auf, und immer entsprach seine Kleidung der neuesten Mode: Man hätte ihn für einen Modegeck und einen eitlen Stutzer halten können. Das aber war gänzlich unangemessen, und wer diesem Irrtum verfiel, beging den Fehler tunlichst kein zweites Mal. Nun, selbst Lock Island musste zugeben, dass der Habitus des Grafen einen schnell auf die falsche Fährte führte: Ja, Yowance hatte etwas Stutzerhaftes. Doch Gray Harbor war in jungen Jahren Offizier Seiner Majestät des Königs gewesen – und ein sehr

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