Haus der Lügen - 8
Lock Island nickte. Alle vier wussten sie von Seijin Merlins Visionen, obwohl nur Rock Point und Wave Thunder die ganze Wahrheit über den Seijin kannten. Bislang zumindest.
»Also gut. Eingedenk dessen und gemessen daran, dass sämtliche der mir vorliegenden Informationen deutlich älter sind, als uns das lieb sein kann ...« Na, nicht ganz die Wahrheit, aber im Dienste der Sache! , dachte Rock Point. Schließlich konnte auch Wave Thunder auf Owls SNARCs zugreifen, obwohl keiner von ihnen die Absicht hatte, das Lock Island oder Gray Harbor zu erklären. »Nun, jedenfalls sieht es ganz so aus, als ließe Graf Thirsk die dohlaranischen Einheiten sehr rasch vorrücken. Sicher bin ich mir noch nicht, aber: Thirsk hat seine Flotte schneller einsatzbereit als gedacht. Die Gießereien in Dohlar sind ja auch besser als die unserer anderen Gegner, was die Produktion neuer Geschütze angeht. Nicht so gut wie unsere, aber immerhin. Mit dem Umbau von Handelsschiffen also«, kurz blickte Wave Thunder zu Rock Point hinüber, »sind sie sehr weit, aber wie alle anderen Werften hinken sie auch in Dohlar immer noch ein wenig mit den Neukonstruktionen von Galeonen hinterher.
Desnairia dagegen ist so weit, wie wir das auch erwartet hatten. Genau wie Dohlar haben sie den großen Vorteil, dass der Werftbetrieb ganzjährig laufen kann. Aber sie sind immer noch mit der Umorganisierung der Werften beschäftigt. Die Anzahl der Schiffszimmermänner, die sie einsetzen können, ist nun einmal sehr begrenzt, und diese Experten, die Maigwair eigens aus Harchong hat anreisen lassen, um sie zu beraten, machen alles nur noch schlimmer. Desnairianer sind nun einmal keine Charisianer, aber sie sind auch keine Harchongesen. Es gefällt ihnen überhaupt nicht, wie Leibeigene behandelt zu werden.« In einem freudlosen Grinsen ließ Wave Thunder die Zähne aufblitzen. »Meiner Einschätzung nach haben sie etwa die neunzig Galeeren fertiggestellt, die Maigwairs ursprünglicher Plan vorgesehen hatte. Innerhalb des neuen Bauprogramms hatten sie das gleiche Soll an Galeonen, und davon sind etwa fünfundfünfzig bis fünfundsechzig fertig – also in etwa zwei Drittel. Ich bezweifle allerdings, dass auch nur die Hälfte dieser Galeonen bereits vollständig ausgerüstet ist. Selbstverständlich haben auch sie mit Lieferengpässen zu tun, was Geschütze betrifft. Aber Desnairia fehlt es an Matrosen. Es wird noch einige Monate dauern, bis die Schiffe, die schon weitgehend fertig sind, auch in See stechen können.«
»Könnten sie diese Zeitspanne verkürzen, indem sie Männer von den Galeeren abziehen, Bynzhamyn?«, erkundigte sich Gray Harbor mit konzentrierter Miene. Wave Thunder zuckte mit den Schultern.
»Im Augenblick scheinen sie nicht sonderlich gewillt, auf die Galeeren zu verzichten«, erwiderte er. »Ich weiß nicht, wie viele von ihnen überhaupt schon akzeptiert haben, dass die Galeonen Vorrang haben – richtig verinnerlicht , meine ich jetzt. Als Yairley Commodore Wailahr im letzten November gefangen genommen hat, da hat er ihnen, so denke ich, ganz schön Sand ins Getriebe gestreut.«
»Darin ist Dunkyn wirklich gut«, bemerkte Lock Island grinsend, und Rock Point schnaubte.
»Den Eindruck hatte ich auch«, bestätigte Wave Thunder. »Aber ich wollte eigentlich auf etwas anderes hinaus: Zumindest Wailahr scheint mir flexibel genug, zu erkennen, wie sehr sich alles verändert hat, auch wenn er eigentlich immer noch Offizier der Army ist. Aber was vielleicht noch viel wichtiger ist: Er war einer der wenigen desnairianischen Flaggoffiziere, denen ich eine ernst zu nehmende Neigung unterstellen würde, in die Offensive zu gehen. Laut den Berichten meiner Agenten und dem, was Merlin in der letzten Nachricht an mich angemerkt hat, sind der Großteil der anderen desnairianischen Kommandeure ... nicht gerade darauf erpicht, auf hoher See mit uns die Klingen zu kreuzen. Und was Wailahr widerfahren ist, hat die anderen vermutlich nicht gerade darin bestärkt, seine Heldentaten nachzuahmen.«
»Was ist mit Harchong und den Tempel-Landen?«, fragte Lock Island, und Wave Thunder lachte säuerlich in sich hinein.
»Ohne mich mit Merlin absprechen zu können, vermag ich wirklich nicht zu sagen, was so weit von uns entfernt vor sich geht, Bryahn«, sagte er. »Nur so viel: Ein Großteil der Berichte, die mich bislang erreicht haben, lassen darauf schließen, dass der Winter dort wirklich bitterkalt ist. Schnee und Eis haben sie noch weiter hinter den
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