Haus der Lügen - 8
Zeitplan zurückfallen lassen. Obwohl Harchong mehr Gießereien hat als Desnairia, haben sie Schwierigkeiten, so viele Geschütze herzustellen, wie sie brauchen – mehr jedenfalls als wir, jetzt, wo Ehdwyrd Howsmyn in Delthak so gut vorankommt. Selbst wenn wir also annehmen, dass mit Besserung der Witterungsverhältnisse sämtliche ihrer Schiffszimmermänner wieder an die Arbeit gegangen sind, wird es immer noch eine Weile dauern, bis sie ihre zweihundert Galeonen auch armieren können. Wenn ich ehrlich sein soll, glaube ich nicht, dass sie diese Schiffe vor Ende Frühling einsatzbereit haben. Wahrscheinlich sogar erst zu Anfang oder sogar Mitte des nächsten Sommers.«
»Und Tarot?«, fragte nun Rock Point.
»Tarot – also unser lieber Freund König Gorjah – sitzt immer noch im sprichwörtlichen Krakenbecken – ganz auf sich allein gestellt«, erklärte Wave Thunder mit einem nachgerade wölfischen Grinsen. »Was den Bau der Schiffe angeht, kommt er sogar recht gut voran. Aber bei der Bewaffnung ist er voll und ganz verloren. Selbst mit allen Finanzspritzen, die ihm die Kirche zukommen lässt, hat er ernstlich Schwierigkeiten, die Gelder für den Ausbau der Gießereien aufzutreiben. Daher kann er nicht auch noch zusätzlich Geschütze produzieren lassen.«
»Endlich eine gute Nachricht!«, meinte Lock Island mit unverhohlener Befriedigung, und Gray Harbor lachte laut auf.
»Besser als nur gut, Bryahn, besser!«, entgegnete er. Fragend hob Lock Island eine Augenbraue, und Gray Harbor zuckte mit den Schultern. »Was soll’s, wenn’s überhaupt jemand erfahren darf, dann Sie: Ich habe Kontakt mit Gorjah aufgenommen. Ihre Majestät hatte es vor Ihrer Abreise ja schon angesprochen. Gorjah ist durchaus klar, dass er zwischen Baum und Borke gefangen ist. Und das passt ihm nicht. Im Augenblick hält er sich zurück, will sich nicht festlegen. In seiner Antwort an mich hat er zwar nach unseren Plänen gefragt, aber auch seine unerschütterliche Treue zu Mutter Kirche beteuert. Wahrscheinlich ein Manöver, dass ihm den Arsch retten soll, falls die Tempel-Lande Tarot unter die Fuchtel bekommen ... nicht, dass ihm das viel nützen würde. Trotzdem: allein schon dass er überhaupt antwortet, zeigt mir recht deutlich, wie verzweifelt er mittlerweile ist.«
»Glauben Sie wirklich, dass er so rasch die Seiten wechselt? Wenn er sein Mäntelchen so schnell nach dem Wind hängt, ist er dann ein verlässlicher Partner?« Lock Island schien skeptisch, und Gray Harbor zog die Schultern hoch.
»Alles, einschließlich Merlins Visionen, deutet auf eines hin: Bisher hat sich Gorjah nur des Opportunismus schuldig gemacht, indem er den Anweisungen der ›Vierer-Gruppe‹ Folge leistete. Aber an sich ist er kein echter Feind von Charis, anders als Hektor. Nun«, der Erste Ratgeber machte eine abwehrende Handbewegung, »wir haben schon immer gewusst, dass er sich über das Bündnis ärgert, das sein Vater seinerzeit unterzeichnet hat. Von dieser Warte aus betrachtet, war er ein bisschen sehr willfährig, als Zion den Angriff auf Charis befahl – ganz anders als Ihre Majestät. Ihm wurde ja auch seitens der ›Vierer-Gruppe‹ so einiges versprochen. Aber ich glaube nicht, dass er in ähnlicher Art und Weise böswillig ist, so wie Hektor es war. Oder König Rahnyld. Gorjah jedenfalls scheint, ganz unabhängig davon, was er sich durch seine Beteiligung an dem Angriff versprochen hatte, mittlerweile aus Schaden doch noch klug geworden zu sein.«
»Haben wir es mit einem weiteren Nahrmahn zu tun?« Lock Island wirkte noch skeptischer, wenn das überhaupt möglich war.
»Nein.« Gray Harbor schüttelte den Kopf. »Nahrmahn – und da haben wir alle ihn in sträflicher Weise unterschätzt! – stellt seine Verantwortung gegenüber Emerald höher als seine Eigeninteressen oder die seiner Dynastie. So selbstlos ist Gorjah nicht. Er wird keinen Pine Hollow ausschicken, um mit uns in Unterhandlungen zu treten. Ihm ist der Preis, nämlich dass der Kaiser seinen Thron und seinen Kopf fordern könnte, für einen Frieden mit uns zu hoch. Aber er ist in dieser Sache immerhin mehr auf das Wohl seines Landes bedacht als ... ach, sagen wir: Rahnyld oder Kaiser Waisu. Oder Zebediah, in Gottes Namen!«
Kurz schien es, als wolle der stets auf Förmlichkeiten und Etikette bedachte Erste Ratgeber ausspucken. Doch dann begnügte er sich damit, einen Laut auszustoßen, halb Knurren, halb Fauchen, und sich zu schütteln.
»Ich meine Folgendes: Wenn wir
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