Haus der Lügen - 8
Konvois eingesetzt werden. Daher glaube ich, dass es sich bei den gesichteten Handelsgaleonen tatsächlich um Transporter handelt. Das lässt vermuten, dass Charis eine Operation vorbereitet, die sich entweder gegen uns hier in Dohlar richtet oder aber gegen das Kaiserreich Harchong. Angesichts unserer Fortschritte beim Aufbau einer neuen Flotte, erscheint mir Dohlar das wahrscheinlichere Ziel. Allerdings ist ein Angriff auf beide Reiche nicht auszuschließen.
Die Anwesenheit von Transportern lässt mich vermuten, dass die Charisianer in der Harchong-See oder im Golf von Dohlar einen Stützpunkt zu errichten beabsichtigen. Natürlich lässt sich derzeit noch nicht sagen, welche der beiden Möglichkeiten eher in Betracht zu ziehen ist. Aber ich bin geneigt, die Klaueninsel für ihr wahrscheinlichstes Ziel zu halten. Diese Insel ist praktisch unbewohnt und liegt weit genug von unseren eigenen Flottenstützpunkten oder denen des Kaiserreichs entfernt, sodass ein übereilter Gegenschlag nicht zu befürchten steht. Weiterhin ist sie ideal gelegen, um die Küsten von Queiroz, Kyznetsov, Tiegelkamp und Stene und sogar die Shwei Bay zu bedrohen und zudem unsere Handels- und Frachtschiffe im Golf von Dohlar zu behindern.
Natürlich liegt die Klaueninsel mehr als viertausend Meilen von Gorath entfernt. Aber ich halte es für durchaus möglich, dass ein hinreichend verwegener Kommandeur der Charisianer, wenn erst einmal ein befestigter, verteidigter Stützpunkt auf der Klaueninsel eingerichtet ist, einen unbefestigten Hafen einnimmt, der deutlich näher liegt – als vorgeschobene Ausgangsbasis sozusagen. Ich hatte in der Vergangenheit mehrmals darauf hingewiesen, wie wünschenswert es doch wäre, die Inselkette der Dohlar-Bank zu befestigen.‹« Das sollte Thorast vor Wut schäumen lassen , ging es Thirsk durch den Kopf. Bislang nämlich hatte der Herzog eben diese Empfehlung stets zurückgewiesen. Aber ausgesprochen werden musste es eben doch. »›Bei der derzeitigen Situation vermag ich nicht zu versprechen, dass die Navy ein hinreichend kampfstarkes Geschwader der Charisianer davon abzuhalten vermag, einen entsprechenden Hafen auf der Fundinsel oder auf einer der Trio-Inseln einzunehmen.
Offenkundig wird noch einige Zeit vergehen, bis die in der Meerenge von Queiroz gesichteten Kriegsschiffe eine Gefahr für heimische Gewässer darstellen. Allerdings bin ich der Ansicht, dass es dringend erforderlich ist, so früh wie irgend möglich auf diese Grenzverletzung zu reagieren. Daher erbitte ich höflichst, umgehend das Gespräch mit dem Botschafter des Kaiserreichs Harchong zu suchen, auf dass wir unsere Bemühungen in dieser Hinsicht so gut als möglich aufeinander abzustimmen vermögen. In der Zwischenzeit werden Bischof Staiphan und ich uns beraten, wie wir unsere eigenen Streitkräfte am besten vorbereiten können. Ich werde Ihnen Bericht erstatten, sobald der Bischof, Admiral Hahlynd und ich eine Einschätzung unserer Leistungsfähigkeit vorgenommen haben und erörtern konnten, wie man unsere Einheiten angesichts der Bedrohung am besten zum Einsatz bringen kann.
Mit vorzüglicher Hochachtung‹ und so weiter und so weiter.«
Wieder starrte der Graf einen Moment lang nachdenklich durch das Heckfenster der Chihiro . Dann zuckte er mit den Schultern.
»Lesen Sie mir das bitte noch einmal vor, Mahrtyn!«
»Sehr wohl, Mein Lord.« Der Sekretär räusperte sich. »›Meine Lords, es ist meine Pflicht, Sie davon in Kenntnis zu setzen, dass mich eine Depesche ...‹«
.II.
HMS Dancer , vor der Klaueninsel, Harchong-See
Sir Gwylym Manthyr blickte zu den Toppsegeln des Schoners auf. Die Messenger ließ gerade die Mündung des Schlangenkanals hinter sich und legte neuen Kurs an. Den Rumpf des Schiffes vermochte Manthyr von seinem Standpunkt aus nicht zu erkennen. Doch das Weiß der Segel zeichnete sich klar und deutlich vor den hoch aufragenden braunen Hügelketten der Klaueninsel ab. Nachdenklich furchte Manthyr die Stirn, während er das Schauspiel betrachtete.
Die Bucht des Elends und ihre Eignung als Ankerplatz bereiteten ihm beachtliche Sorgen. Bei Ostwind lief selbst ein Schoner Gefahr, nicht mehr auf das offene Meer hinauszugelangen. Bei Nordostwind hingegen würde sich der Schlangenkanal, die südliche Zufahrt zur Bucht, gut nutzen lassen, bei Wind aus Ostsüdost der Nord-Kanal. Aber eine Galeone könnte beide Kanäle selbst bei diesen günstigeren Windverhältnissen nur unter großen Mühen durchqueren. Doch im
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