Haus der Lügen - 8
Sir.« Wieder lächelte der Leutnant, nur der Schatten eines Lächelns allerdings. »Er wird sich natürlich trotzdem bitter beklagen, dass wir ihn zu spät informiert hätten.«
»Natürlich. Das macht er doch immer.«
Das Lächeln auf Manthyrs Gesicht wirkte eine Spur resigniert. Raiyhan Hahlmyn, der Manthyr viele Jahre lang gute Dienste geleistet hatte, war bei der Schlacht im Darcos-Sund gefallen, und Manthyr vermisste ihn sehr. Nicht nur, weil sie einander schon so lange gekannt hatten – auch wenn das natürlich ebenfalls eine Rolle spielte –, sondern vor allem, weil Hahlmyn so gut zu ihm gepasst hatte. Manthyr stammte aus bürgerlichem Hause, so wie nur allzu viele der charisianischen Seeleute. Hahlmyn hatte seinen Lebensunterhalt als Fischer in der Howell Bay bestritten, bevor er in den Dienst der Navy getreten war. Eigentlich vermutete Manthyr, dass ›Raiyhan Hahlmyn‹ gar nicht sein richtiger Name war. Männer wie Hahlmyn fanden sich hin und wieder in der Royal Charisian Navy, und das hatte sich auch nicht geändert, seit sie zur Imperial Charisian Navy geworden war. Solange ein Mann seine Pflichten erfüllte und nicht neuerlich in Schwierigkeiten geriet, war die Navy durchaus bereit, beinahe jegliche Fehltritte seines früheren Lebens zu übersehen. Manthyr war keineswegs entgangen, dass Hahlmyn niemals freiwillig von Bord ging, wenn sein Schiff im Hafen von Tellesberg einlief.
Doch was auch immer sich in Hahlmyns Vergangenheit ereignet haben mochte, der junge Lieutenant Manthyr hatte in ihm stets einen zuverlässigen Helfer und einen äußerst geschickten Bootsführer gesehen. Als Lieutenant Commander Manthyr das Kommando über sein erstes eigenes Schiff erhalten hatte, da hatte er Hahlmyn mitgenommen, zunächst als seinen persönlichen Bootsführer, später dann als seinen persönlichen Burschen. Ihn als Kammerdiener zu bezeichnen, hätte ein völlig akzeptables Wort weit über seine Belastbarkeit hinaus missbraucht. Trotzdem: Hahlmyn war treu und fleißig gewesen und hatte bemerkenswert gut mit dem Entermesser umgehen können. Das hatte Gwylym Manthyr voll und ganz gereicht.
Doch nun gab es keinen Hahlmyn mehr, und Sir Gwylym Manthyr hatte Ersatz angefordert. Auftritt Naiklos Vahlain, der ganz offenkundig der Ansicht war, Manthyr habe seine Entwicklung noch bei weitem nicht abgeschlossen. Der stets adrett gekleidete, dunkelhaarige Kammerdiener war etwa zehn Jahre älter als Manthyr, und Domynyk Staynair hatte ihn Sir Gwylym mit Nachdruck empfohlen.
»Er wird ganz furchtbares Aufhebens um Sie machen. Das kann einen wirklich in den Wahnsinn treiben«, hatte Staynair gesagt. »Aber zugleich ist er eben auch in der Lage, Ihnen selbst noch mitten im Sturm auf hoher See eine heiße Suppe zu organisieren. Ganz egal, wie viel Zeit Sie ihm geben, ein Diner auszurichten, er wird Stein und Bein schwören, das werde nicht reichen ... und dann präsentiert er Ihnen ein Fünf-Gänge-Menü und schafft es sogar noch, frisches Gemüse aufzutischen, obwohl Sie gerade mitten im Amboss festhängen. Und um ganz ehrlich zu sein, Gwylym, ich glaube, er ist genau das, was Sie brauchen, jetzt, wo Sie Ihren Wimpel haben!«
Manthyr hegte wenig Zweifel daran, was Rock Point mit diesen Worten gemeint hatte. Ein Captain mochte sich ja vielleicht nicht allzu sehr um sein äußeres Erscheinungsbild sorgen müssen. Für einen Admiral galt das nicht. Und die ungeschminkte Wahrheit war, dass Manthyrs Leben und seine Karriere ihn ganz gewiss zu einem ausgezeichneten Seemann gemacht hatten, aber was Etikette betraf, hatte er nicht allzu viel dazugelernt. Er wusste nicht, wie man den richtigen Wein zum Essen auswählte, und er kannte sich auch nicht mit all den anderen Dingen aus, die anscheinend zum Standardwissen eines Admirals gehörten.
Vahlain sprang hier hilfreich ein. Aber es gab Augenblicke, in denen Manthyr in seinem Kammerdiener gewisse Ähnlichkeiten mit einem weißglühenden Stahlnagel entdeckte, der gerade in ein Hufeisen getrieben wurde. Für die Hilfe auf ungewohntem Terrain war Manthyr dankbar, ja. Aber das bedeutete nicht notwendigerweise, dass er die Hilfe auch genießen konnte. Vahlain war ganz genauso pingelig, pedantisch, präzise und kleinlich, wie Rock Point das Manthyr prophezeit hatte.
Deswegen, ging es dem Admiral durch den Kopf, während er seinem Flaggleutnant hinterherblickte, hatte er auch Rahzmahn in die Höhle des Echsenlöwen geschickt. Mit dem Rang kamen nun einmal die
Weitere Kostenlose Bücher