Haus der Lügen - 8
»könnten Sie uns ja vielleicht berichten, wie Ihre Mission an Land verlaufen ist.«
»Selbstverständlich, Sir.« Grahzaial richtete sich auf und räusperte sich kurz. »Wie befohlen habe ich Ihre Nachricht zur Klauenfeste gebracht.« Er verzog das Gesicht. »Das als Feste zu bezeichnen, ist meines Erachtens übertrieben, Sir Gwylym. Es gibt dort zwar eine Mantelmauer, aber ich denke, die könnten wir mit einem Vierzehnpfünder innerhalb eines einzigen Nachmittags sturmreif schießen. Und eine richtige Feste , also einen Bergfried oder so etwas in der Art, gibt es dort überhaupt nicht. Nur ein paar Dutzend Gebäude – hauptsächlich ganz normale Wohnhäuser, auch wenn in mindestens dreien davon eine Kneipe betrieben wird –, die sich entlang der Mauer dicht an dicht drängen.«
»Das ist nicht allzu überraschend, Sir«, warf Captain Raif Mahgail ein. Manthyrs Flaggkommandant war ein drahtiger, dunkelhaariger Mann mit erstaunlich dunkelbraunen Augen. Er war acht Jahre jünger als der Admiral, dem er unterstellt war, und in den Rang eines Captain hatte man ihn erst kürzlich befördert – Beförderungen gab es in letzter Zeit häufiger. Doch seit seinem zwölften Lebensjahr fuhr er schon zur See, und es gab nur wenig, was er noch nicht gesehen oder erlebt hatte.
»Diese Mantelmauer, die Mahshal da gerade erwähnt hat, wird wohl hauptsächlich dazu dienen, Piraten abzuhalten – vielleicht sollte ich lieber sagen: andere Piraten –, als tatsächlich Schutz zu bieten.« Der Flaggkommandant gestattete sich ein abschätziges Schniefen. »Ich mag ja nicht allzu viel von der Harchongese Navy halten, aber wenn diese Leute jemals töricht genug gewesen wären, dem Kaiserreich lästig zu werden, würden alle Mauern der Welt nicht ausreichen, um ihren Hals zu retten. Und das wissen die selbst auch ganz genau.«
»Den Eindruck hatte ich auch, Captain«, stimmte Grahzaial zu und nickte. »Und, Sir«, wandte er sich wieder Manthyr zu, »für eine so kleine Siedlung haben die wirklich erstaunlich viele Fischerboote. Ein paar von denen sind fast so groß wie die Messenger . Und auf allen gibt es Winkeleisen für ›Schwenkwölfe‹. Captain Lahfat – das ist der Bursche, der da das Sagen hat – schien mir ein wenig arg darauf bedacht, mich diese Kleinigkeit nicht bemerken zu lassen.«
»Ich verstehe, was Sie meinen, Master Grahzaial«, bemerkte Manthyr.
›Wolf‹ war der Sammelbegriff für Geschütze mit einer Mündung von weniger als zwei Zoll Durchmesser. Sie alle verschossen Kugeln von weniger als einem Pfund Gewicht. ›Schwenkwölfe‹ gehörten zu den kleineren Exemplaren – es war eine reine Definitionsfrage, ob es sich dabei um sehr leichte Geschütze handelte oder doch eher um besonders schwere Musketen. Dem Rumpf eines Schiffes konnten sie nicht allzu viel schaden. Aber sie waren transportabel und konnten recht leicht an der Reling eines Schiffes montiert werden (oder eben auch rasch wieder abgebaut und versteckt, wenn ein Kreuzer zu nahe kam). Hauptsächlich setzte man sie gegen Menschen ein ... und damit waren diese ›Wölfe‹ genau das Richtige für Piraten, die möglichst ungehindert ein unterbesetztes und nahezu unbewaffnetes Handelsschiff aufbringen wollten.
»Sie haben also den Eindruck, dieser ... wie hieß der Bursche noch? Lahfat, ja? ... würde hin und wieder auch nach anderen Dingen fischen als nur nach Säbelzähnern oder Hechten?«, fuhr er fort, und wieder nickte Grahzaial.
»Ich denke, genau das tut er, Sir«, erwiderte der Lieutenant Commander. »Aber offenkundig bringt ihm das nicht sonderlich viel ein.« Manthyr schnaubte. Er hatte noch nie einen Piraten gesehen, der nicht, langfristig gesehen, mit ehrlicher Arbeit mehr hätte verdienen können. Ganz zu schweigen davon, dass die Chancen für ein langes Leben dabei deutlich besser standen. »Und ich zweifle kein bisschen daran, dass Lahfat sich den Rang des Captains ... sagen wir: selbst verliehen hat. Woher er ursprünglich stammt, kann ich nicht abschätzen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er nicht aus Harchong kommt. Dafür ist er zu groß. Und ich habe den Eindruck, dass wir uns hier bei ihm niederlassen wollen, behagt ihm ganz und gar nicht.«
»Na, woran könnte das wohl liegen?«, murmelte Yairman Seasmoke, der First Lieutenant der Dancer , was dem Admiral ein noch raueres Schnauben entlockte.
»Darf ich dem entnehmen, er hat Ihnen gesagt, wir sollen uns, bitte schön, verziehen, Commander?«, erkundigte sich Manthyr
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