Haus der roten Dämonen
schmerzten ihn die Handflächen, die an den Ballen rötlich entzündet waren, sowie die Arme. Endlich bedeckte
ein beinahe weißlicher Staub den Boden des Mörsers.
»Wozu braucht er das Rot?« Jan war neugierig. Mit der Menge, die er angerührt hatte, hätte man eine ganze Hauswand färben können.
Contrario, der die ganze Zeit über eher freundlich als verdrießlich gewesen war, zuckte zusammen und reagierte dann mit einer Wucht, die Jan erschreckte.
»Merk dir eins, mein Junge: Wer hier fragt, der fragt nicht mehr lange. Also halt den Mund – und wenn du etwas wissen willst, das dieses Haus anbelangt, dann frag mich, aber nicht vor dem Herrn und nicht bei der Arbeit.« Er zischte noch ein paar Flüche, dann nahm er den Mörser mit einer Leichtigkeit, die Jan wieder erstaunte, weil er ja wusste, wie schwer der Behälter wirklich war, kippte seinen Inhalt in eine Schale und verließ danach mit dieser Schale den Raum. Unter der Türschwelle drehte er sich um. »Schluss für heute. Richte deine Schlafstätte her. Die Sonne geht bald unter. Morgen wirst du die vier Leinwände hier grundieren. Und zwar gründlich. Samten müssen sie werden wie der Hintern eines Säuglings, nur dann sind sie etwas wert.«
Jan hörte die letzten Worte kaum mehr, sondern war froh über den Feierabend. Seine Arme schmerzten, seine Hände waren beinahe gefühllos. Er nickte dankbar und fühlte, wie ihn die Erschöpfung überwältigte, die seinen Körper längst erfasst hatte und die bislang nur vom Kopf niedergehalten worden war.
Während Contrario sich mit dem Farbpulver in den oberen Stock verzog, schlenderte Jan in sein Zimmer. Die Tür war geschlossen, obwohl er sie bestimmt offen gelassen hatte, als er mit dem krumm gewachsenen Adlatus in den Farbenraum gegangen war. Für einen Augenblick blieb
er vor dem Raum stehen und überlegte. Ob Messer Arcimboldo keine offenen Türen mochte und sie für ihn zugemacht hatte?
Unsicher betrat er den Raum und musterte ihn. Alles war wie … zuvor … hätte er gerne gesagt. Doch das stimmte nicht ganz. Nichts war genau so, wie er es verlassen hatte. Rasch drehte er sich um und sah nach draußen. Die Spannrahmen neben seinem Bett waren verschwunden. Der Raum schien außerdem länger zu sein, als er vorher gewesen war, denn zwischen Fenster und Bett gab es jetzt eine Lücke. Jan schluckte. War sie ihm vorhin nur nicht aufgefallen?
Er sah sich weiter um. Die Fensteröffnung war bei der ersten Besichtigung schmäler gewesen. Jetzt wirkte sie größer und hatte ein Gitter vor der Laibung, dafür fehlte der Pergamentrahmen, der Kälte und Licht aussperrte. Jan war sich sicher, dass zuvor kein Gitter vorhanden gewesen war und ein Rahmen in der Öffnung gestanden hatte.
Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Was ging hier vor – oder hatte er sich nur in der Zimmertür geirrt? War er in den Raum nebenan gelangt? Er verließ sein Zimmer und sah die Wand entlang. Neben ihm gab es drei weitere Türen. Drei? Waren es vorher nicht zwei gewesen? Mittlerweile zweifelte er an sich und an seinen Augen. Langsam schlich er zurück in sein Zimmer. Unbehagen erfüllte ihn. Irgendetwas stimmte hier nicht.
Jan legte sich auf sein Bett … und fuhr sofort wieder hoch. Das Bett war gemacht. Er selbst hatte jedoch weder ein Laken angerührt noch einen Bezug mit Gras gefüllt. Jetzt erst roch er den Duft der Kräuter, die in den Leinensack gesteckt worden waren. Dieser Umstand beruhigte ihn wieder. Offenbar besaß Messer Arcimboldo einen weiteren dienstbaren Geist, eine Dienerin oder einen Diener, die ihm zwischenzeitlich das Bett gerichtet und es wohl auch
umgestellt hatten. Beruhigt legte er sich auf die Grasdecke und schloss die Augen. Was er nur immer für einen Unsinn dachte.
Müdigkeit kroch in ihm hoch. Es roch wie auf einer Frühlingswiese, als würde er beim Gänsehüten unter einem Baum liegen. Nur das Summen der wilden Bienen fehlte. Jetzt erst plagten ihn die Muskelschmerzen seiner Arbeit. Die Arme lagen wie Blei neben ihm und die Muskeln seiner Hände schienen sich von selbst zu verkrampfen. Etwas zu essen wäre schön gewesen, doch er fühlte sich zu müde, um aufzustehen.
Im Stockwerk über ihm hörte er Messer Arcimboldo und Contrario hin und her laufen, hörte seinen Meister Befehle rufen und immer wieder das Prasseln von Feuer und das Fauchen eines Blasebalgs. Sie stellten die Farbe Rot her.
Jan bemerkte, wie schwer es ihm fiel, sich zu konzentrieren, und wie er langsam in einen Dämmerzustand
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