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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
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Mähne der scharlachroten Sphinx plusterte sich auf. Dann
sprangen beide gleichzeitig. Der Bär auf den Wächter, die Sphinx auf Jan zu.
    Jan schrie auf, duckte sich, konnte jedoch nicht nach hinten ausweichen. Schließlich hatte ihn der Kerl zuvor gegen die Wand gedrückt. Wie gebannt sah er die Sphinx auf sich zusegeln, die kurzen Flügel ausgebreitet. Sie streckte die mit Krallen bewehrten Beine gegen ihn aus, bereit, zuzupacken und ihn zu zerreißen. Jan war zwar beunruhigt, wusste jedoch sehr wohl, dass ihn das Wesen nicht töten konnte. Dennoch fühlte er sich wie gelähmt in Erwartung des Schmerzes.
    Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte er, wie sich der Kerl duckte und dem Bären entgegensprang. Mit einer Geschwindigkeit, einem Geschick und einer ungeheuren Kraft, die Jan völlig verblüffte, packte der Kerl das Wesen, bremste dessen Angriff und zerriss es in der Luft. Die Stücke schleuderte er in alle Himmelsrichtungen. All das geschah so blitzartig, dass ihm Zeit blieb, mit einem seitlichen Sprung die scharlachrote Sphinx abzufangen, bevor sie Jans Brust mit ihren Klauen durchbohren konnte, ihr die Flügel auszureißen und mit einem hässlichen Knacken die Beine zu brechen.
    Zwar waren die Tiere damit nicht vernichtet oder tot. Die einzelnen Gliedmaßen würden sich wieder zusammenfügen und heilen, vermutete Jan, doch das würde sicher eine Zeit dauern.
    Als wäre nichts geschehen, verschränkte der Kerl die Arme und stellte sich vor Jan hin. Erst jetzt sah Jan, wie grob dessen Gesicht wirkte, als wäre es aus Lehm geformt und der Lehm nicht sauber verstrichen worden. Alles an ihm wirkte unfertig und roh. Nur die Augen leuchteten wie Rubine und auf der Stirn funkelte ein drittes dunkelrotes Juwel wie ein zusätzliches Auge.

    Jan getraute sich nicht, sich auch nur einen einzigen Schritt von seinem Platz zu entfernen, und der Kerl blieb stumm wie ein Fisch. Wie lange sie so standen, wusste Jan nicht zu sagen. Endlich vernahm er vom Ende der Gasse her Schritte. Ein Mensch kam zum Tor der Judenstadt. Mantel, Hut und Gang der Person, die sich gegen die Helligkeit im Hintergrund abhob, kannte er. Es war Rabbi Löw.
    »Er ist keine Schönheit, ich gebe es zu!«, sagte dieser leichthin, als er auf Jan zutrat. »Aber er tut, worum man ihn bittet.« Der Rabbi wandte sich dem Kerl zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Danke, Golem!«, sagte er. »Bewach unser Viertel! Keines dieser Wesen darf die Schwelle der Mauer überschreiten.«
    Dann sah sich der Rabbi um und seine Miene verfinsterte sich. »Wo ist Julia?«
     
    Der Leu drückte ihr beinahe die Luft ab. In wilden Sätzen jagten sie über die Dächer der Stadt weg. Der Wind der Bewegung riss ihr den Atem vom Mund, und mehr als einmal glaubte Julia, ersticken zu müssen. Sie hatte längst aufgehört zu strampeln und versuchte zu erkennen, wo sie waren und wohin sie getragen wurde.
    Sie verließen die alte Stadt und jagten auf die Karlsbrücke zu. Mit einem einzigen Satz war der Leu auf dem Dach des Brückenturms gelandet. Julia wurde übel vor Angst. Sie konnte nicht nach unten sehen, dafür blickte sie auf die vor Wut verzerrte Fratze der Pantherchimäre, die angriffslustig ihre Flügel ausbreitete. Der Leu brüllte, dass es ihr in den Ohren klingelte, dann sprang er hinunter auf die Brücke. Der Aufprall war so jäh und heftig, dass Julia sich erbrechen musste. Der Flug-Chimäre zuckte es sichtbar in den Krallen, doch sie ließ den Leu passieren. In Julias Ohren brauste es, als sie mit zwei weiteren Sätzen über die Brücke jagten
und durch das Tor im Kleinseitener Turm hindurchschossen. Es ging nun hoch in Richtung Hradschin. Julia zwang sich, die Augen offen zu halten, obwohl sie sich wieder und wieder erbrach, bis sie das Gefühl hatte, nichts mehr im Magen zu haben.
    Der Leu jagte die Straße entlang, vorbei am zerstörten Bräuhaus ihres Vaters, und irgendwann musste Julia das Bewusstsein verloren haben, denn als sie wieder zu sich kam, stand sie vor dem Haus Messer Arcimboldos. Die Tür ging auf, der Leu legte sie behutsam hinter der Schwelle ab und die Tür schloss sich hinter ihr.
    Jetzt war sie allein.
    Zuerst blieb sie einfach liegen und schaute sich um. Am anderen Ende des Vorraums lag die Treppe. Julia konnte von ihrem Platz aus einige Stufen erkennen. Rechts und links von der Treppe gab es mehrere Türen zu anderen Räumen. So hatte sie das Haus des Malers in Erinnerung.
    Sie holte tief Luft, rappelte sich auf und versuchte, das Zittern in

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