Haus der roten Dämonen
verursachte eine feuchte, klebrige Spur, an der das Laken haften blieb. Jan hatte genügend Kranke gesehen, um zu erkennen, was der Alten fehlte. Ihre Lunge war entzündet und die Warze war zu einem unheilbaren Geschwür ausgewachsen. Vielleicht hatte sie sogar den Bluthusten, an dem auch Jerzy aus dem Waisenhaus litt und der sich in den Stadtvierteln am Fluss ausbreitete wie eine Seuche. Wirklich geholfen hätten hier nur ein Ortswechsel und ausreichend Nahrung. Doch gerade an diese beiden Heilmittel war nicht zu denken. Wenn die Frau überhaupt zu retten war.
»Kremple den linken Ärmel hoch!«, befahl Contrario harsch. Niemand widersetzte sich seinen Anordnungen, und mit einer Kopfbewegung trieb er Jan an, der schwachen Alten zu helfen.
Jan schob den Ärmel ihres Hemdes über die Armbeuge. Was er sah, erschreckte ihn. Die Beuge war über und über mit Narben bedeckt. Dieser Contrario, der sich offenbar als
Quacksalber versuchte, musste sie mindestens zehnmal zur Ader gelassen haben.
Der Adlatus zog eine Schale und eine kleine Fliete, ein besonders gebogenes Messer zum Aderlassen, aus seiner Tasche und legte beides auf ein Holzbrett neben dem Bett der Kranken ab. Dazu stellte er eine Kerze. Mit Stein und Stahl schlug er im Zunder einen Funken und blies ihn zur Flamme auf, um damit die Kerze zu entzünden.
»Warum habt Ihr sie nicht am Herdfeuer entzündet?«, wagte Jan zu fragen, doch ein scharfer Blick Contrarios traf ihn und brachte ihn zum Verstummen.
»Du fragst nicht. Du redest überhaupt nicht. Du tust, was man dir befiehlt!«, zischte Contrario nur, starrte ihn strafend mit seinen wimpernlosen Augen an und wandte sich seiner Arbeit zu.
Mit einer geschickten Bewegung hielt er die Klinge ins Kerzenlicht. Dann ging alles sehr rasch. »Die Schale!«, bellte er kurz, und Jan hatte gerade noch Zeit, die Schale zu greifen und sie unter den schwachen Blutstrahl zu halten, der aus dem Arm schoss, nachdem Contrario die Vene eingeritzt hatte. Er war dunkel und roch süßlich.
Die Alte stöhnte kurz, dann verdrehte sie die Augen und sackte langsam zusammen. Der Strahl wurde schwächer, und bevor das Blut in der Schale überlief, drückte der Adlatus die Vene mit dem Daumen ab. Jan, der in seinem fünfzehnjährigen Leben schon viel Blut gesehen hatte, musste dennoch schlucken. Der süßliche Geruch nistete sich in seiner Nase ein und füllte seinen Mund mit Speichel. Die braune Flüssigkeit schwappte in der Schale und zwei Rinnsale liefen über den Rand und über seine Finger. Dann begann das Blut von den Rändern her zu stocken, wurde dunkel und bröckelig – und Jan glaubte, er würde ohnmächtig. Sein Blick richtete sich starr auf das Gefäß, und er hatte das
Gefühl, als würde sich alle Welt nur noch darauf ausrichten. Gerade dass er noch mitbekam, wie Contrario mit raschen Bewegungen die Kerze ausblies und alles wieder in seinem Sack verstaute.
Dann, nach einer kleinen Unendlichkeit, nahm er Jan die Schale aus der Hand. Mit dem Blut ging er ans Fenster, blickte kurz in die Schale, als finde er darin die Zukunft der Kranken, beroch die dunkle Flüssigkeit und schüttete sie schließlich auf die Straße hinunter.
»Wasch sie aus«, befahl er Jan, der langsam wieder zu sich kam und sich aus seiner Erstarrung lösen konnte. An die Familie gewandt, wiederholte er: »Gebt der Frau drei Tropfen des Laudanums, wenn sie erwacht. Jeweils morgens, mittags und abends. Es wird sie stärken. Ich schaue übermorgen wieder vorbei.«
Die jüngere Frau, die während der gesamten Prozedur am Herd gestanden und ihnen den Rücken zugedreht hatte, trat auf Contrario zu, Tränen in den Augen. »Wie können wir Euch nur danken?«
Ohne eine Gefühlsregung zu zeigen, sah er ihr ins Gesicht. »Ich kann nur lindern. Allein Gott kann ihr noch helfen.«
Damit drehte er sich um und ging grußlos hinaus. Jan folgte ihm.
Noch auf der Treppe hielt es Jan nicht mehr aus. »Ist Messer Arcimboldo ein berühmter Arzt? Seid Ihr sein Gehilfe?«
Contrario blieb auf der Treppe stehen. Jan drehte sich zu ihm um. Obwohl Jan eine Stufe tiefer stand, sahen sie sich direkt in die Augen.
»Ein Arzt ist nur Wächter über Leben und Tod. Unser Herr aber erschafft Leben!« Contrarios Stimme hatte sich zu einem verschwörerischen Flüstern gesenkt und krächzte rau. »Und jetzt weiter mit dir, wir haben zu tun.«
Jan konnte mit dieser Antwort wenig anfangen, doch sie klang sehr geheimnisvoll. Ein Mensch, der Leben erschafft? Menschen konnten nur
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