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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
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verwendet er das Blut Sterbender?«
    »Er nimmt es zum Malen«, kam prompt die Antwort, so prompt, dass sie nach Luft schnappen musste. Jetzt war es Julia, die ihn verblüfft ansah. »Er verwendet es …? Du meinst, der Quacksalber malt mit Blut? Nicht dein Meister, Messer Arcimboldo?«
    Jan zuckte mit den Schultern und zog Julia tiefer in den Garten hinein, bis zum Hühnerstall hinüber. »Ich weiß es nicht. Jedenfalls hat Contrario ein Bild gemalt, ein Tier – und er hat das Blut in die Farbe gemischt. Mit dem Blut aus der Phiole wurde das Bild beinahe lebendig. Beinahe. Es sah so lebensecht aus, dass ich sogar geglaubt habe, die Schwanzbewegungen zu sehen, obwohl der Adlatus kein geborener Zeichner ist.«
    »Es wurde nicht wirklich belebt? Das Tier auf dem Bild, meine ich. Es blieb – ein Bild?«
    Jan nickte. »Aber es war auch kein Bild mehr. Das Tier auf der Leinwand … es hatte etwas an sich, das dazwischen lag, als wäre es noch im Rahmen eingesperrt. Ich konnte es richtig beobachten – und ich glaube, es hat mich auch gesehen. Das Tier, meine ich.«
    »Erzähl mir davon!«, bettelte Julia und rückte etwas näher zu Jan. Sie legte ihm dabei eine Hand auf den Unterarm. Doch der Junge versteifte sich.
    »Warum sollte ich?«, erwiderte Jan. »Schließlich beschuldigst du mich, ein Mörder zu sein. Wer weiß, was du über mich verbreitest, wenn ich dir davon erzähle?«

    Julia blickte ihn ernst an. Es war ihr wie beim ersten Mal, als sie ihm begegnet war. Sie fand seine Nähe tröstlich, sie genoss es, einfach neben ihm zu stehen oder zu sitzen, wie eben jetzt.
    »Ich werde dir erzählen, was fehlt, um die Bilder lebendig zu machen«, flüsterte sie so leise, dass sich Jan vorbeugen musste. Seine Haare berührten dabei die ihren. Das Kitzeln, das sie verspürte, lief ihr wie ein wohliger Schauer über den Rücken.
    »Was sagst du?« Jans Augen weiteten sich.
    »Du hast richtig gehört. Messer Arcimboldo oder vielleicht sein Adlatus sind in der Lage, Malereien zum Leben zu erwecken. Ich habe es von Rabbi Löw gehört. Er hat es mir erklärt.«
    »Von einem Juden hast du das?« Jan rückte sofort von ihr ab und lachte verächtlich, als wollte er sagen, glaub ja keinem Juden.
    Doch Julia fühlte sich gekränkt. Jetzt hatte sie seine Nähe geduldet und er wies sie zurück. Julia stampfte mit dem Fuß auf. »Na und? Ich glaube daran. Ich habe mehr als nur dieses eine Wesen im Herrschersaal gesehen. Messer Arcimboldo oder auch dein … dein Adlatus lassen Tiere von den Leinwänden herab lebendig werden. Nicht nur die Chimäre, auch in der Küche des Hradschin gibt es solch ein Wesen!«
    Jan nickte langsam. Er erinnerte sich an die blauzüngige Echse mit den Schlangenzähnen im Hühnerstall hinter ihm. Auch das war ein Tier gewesen, das es sonst nirgends gab.
    »Rabbi Löw hat gesagt, dass es immer wieder Menschen gibt, die die Gabe besitzen, Lebloses lebendig werden zu lassen. Er hat es in einem gelehrten Werk gelesen. Dem Necmo …, Nakko …, ach ich erinnere mich nicht mehr daran, wie es wirklich heißt. Der Name ist so kompliziert. Aber
wenn du mir erzählst, was du gesehen hast, erzähle ich dir, was ich weiß.«
    Jan hatte verstanden.
    In seinen Augen stand die Frage, ob er Julia vertrauen konnte, wo sie ihn vor wenigen Minuten noch so abgekanzelt hatte. In diesen Augen lag aber noch eine ganz andere Frage, die sie sich im Augenblick noch nicht stellen, geschweige denn beantworten wollte, die ihr jedoch durchaus gefiel. Sie schlug die Augen nieder und trat dennoch so weit vor, bis ihre Hände sich berührten. Julia ließ es zu, dass seine Finger sich leicht in den ihren verhakten.
    »Du kannst auf mich bauen«, flüsterte Julia. Offenbar wollte er ebenso wie sie hinter die Geheimnisse seines Meisters und des Adlatus kommen. Folglich musste er ihr wohl sein Wissen erzählen. Langsam berichtete er von seinem Ausflug ins Nebenzimmer und den Veränderungen auf der Leinwand Contrario-Buntfingers. Und je länger er redete, desto schneller erzählte er.
    Atemlos folgte Julia seinem Bericht.
    »Sie bleiben irgendwie starr, als wären sie eingefroren oder eingesperrt«, endete Jan endlich. Er sah sie an und forderte stumm. »Jetzt du!«, hieß sein Blick.
    Julia hatte sich halb auf die Hühnerleiter gesetzt und betrachtete ihre Hand. Jan hielt sie jetzt fest in der seinen. Schließlich hob sie den Kopf.
    »Ich kann es gar nicht wirklich glauben. Wesen, die lebendig werden, weil man sie malt«, sagte sie

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