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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
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Wärme füllte den Bettsack und hielt sie in wohliger Geborgenheit. Das Schlottern der Glieder ließ nach. Rasch sank Julia zurück in einen Halbdämmer, der die Konturen zwischen Wachen und Schlafen verwischte.
    Warum sich Jan in diesem Moment in ihren Kopf stahl, wusste sie nicht. Doch sie bedauerte sehr, ihn einfach stehen gelassen zu haben, während er angegriffen worden war. Da er nicht tot im Garten vor dem Hühnerstall gelegen hatte, hatte er den Angriff offenbar überlebt. Allerdings wusste sie nicht, ob er schwer verletzt war. Und diese Unkenntnis über sein Schicksal belastete sie. Zu gerne hätte sie erfahren …
    Das Kratzen drang undeutlich in ihr Bewusstsein. Ein Kratzen und Wischen, ein Schnüffeln und Knurren. Julia wusste nicht recht, ob dieses Geräusch einem Traum entstammte
oder in der Wirklichkeit angesiedelt war, bis es ihr die Augen aufriss. Sie hatte vergessen, das Brett wieder in die Fensteröffnung zu stellen. Schon einmal war sie von einer Art Echse im Zimmer besucht worden, die ihre Einrichtung besudelt und die Wäsche zu kleinen Fetzen zerrissen hatte, als sie einmal vergessen hatte, das Fensterbrett zurückzustellen. Vorsichtig und geräuschlos schlüpfte sie unter der Decke hervor und schlich zum Fenster. Sie versuchte zu erkennen, ob sich etwas auf der Fensterbank bewegte, doch es war alles ruhig. Langsam wagte Julia sich vor, streckte den Kopf aus der Fensteröffnung, spähte hinaus und hinunter auf die Straße. Auch hier war alles so, wie es sein sollte.
    Sie atmete erst einmal erleichtert durch, nahm dann den Laden in die Hand und wollte ihn einsetzen, als etwas den Sternenhintergrund verdunkelte und sie urplötzlich in ein grün leuchtendes Auge blickte. Ein fauliger Atem fauchte ins Zimmer, und das Auge starrte sie an, ohne zu blinzeln. Vor dem Fenster hockte eine dämonische Kreatur.
    Julia schrie auf, warf das Fensterbrett durch die Öffnung und in das Gesicht des Wesens und wich bis an die Wand zurück. Das Brett klapperte, als es in ihrem Zimmer zu Boden fiel – und das Auge blieb, wo es war. Es glühte inmitten einer grundlosen Schwärze. Die Holzbalken knackten, und das Fachwerk rieselte, als sich das Wesen vor ihrem Fenster bewegte. Offenbar hielt es sich mit seinen Klauen an der Hauswand fest. Die Haltung strengte die Kreatur an, denn ihr Atem ging zusehends schneller und ein Knurren voller Unmut füllte den Raum.
    Julia war wie gelähmt. Sie konnte an nichts denken, nur an dieses Auge, in dem die Pupille wie ein schwarzes Loch stak. Nur langsam wich die Starre von ihr. Langsam bewegte sie sich zur Tür, die hinüber in Vaters Zimmer führte.

    Das Auge verfolgte jede ihrer Bewegungen. Noch bevor sie den Durchgang erreichte, wurde dieser aufgestoßen und ihr Vater tauchte darin auf.
    »Kind, warum schreist du?« Er hatte seinen Degen, den er als Zunftmitglied und Oberster der Brauer in Prag für die Stadtverteidigung bereitstellen musste, in der einen und einen Kerzenhalter in der anderen Hand. In seinem Nachthemd machte er nicht gerade die Figur eines rettenden Ritters, doch Julia war froh, ihn zu sehen.
    »Am Fenster!«, war alles, was sie sagen konnte. Ihr Vater lief sofort zur Öffnung und stieß den Degen blindlings in die Dunkelheit hinein. Doch nichts geschah. Die Waffe traf auf kein Hindernis und bohrte sich nur ins Leere. Anscheinend war das Tier verschwunden.
    »Was war denn los?«, erkundigte sich ihr Vater, nun etwas ärgerlich. Er wollte seinen Kopf in die Maueröffnung stecken, um hinauszusehen und sich so einen Überblick zu verschaffen, doch Julia krampfte sich der Magen zusammen.
    »Tu’s nicht!«, schrie sie.
    »Weiber«, knurrte ihr Vater. »Dort draußen ist nichts.«
    »Hast du denn nicht dieses Brüllen gehört? Diesen dreifachen Ton?«, wagte Julia zu fragen. Sie glaubte schon, die Fantasie wäre mit ihr durchgegangen. Außerdem bewunderte sie ihren Vater, der so gelassen und ruhig blieb, während sie sich mit dem Rücken gegen die Wand lehnen musste, weil ihr die Beine unter dem Körper wegzusacken drohten.
    Ihr Vater stocherte noch einmal mit dem Degen nach draußen, wie um ihr zu beweisen, dass sie geträumt habe, und schrie plötzlich auf. Er zog seine Hand zurück und ließ den Degen fallen – oder das, was davon übrig war. Der Stummel der Waffe klirrte zu Boden. »Was zum Teufel …«, fluchte er gepresst und hielt sich die Hand. Doch er und
Julia starrten auf den am Boden liegenden Degen. Die Klinge war etwa handbreit oberhalb des

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