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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
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dem Mund, und er atmete rasselnd, als müsse er den Körper voller Luft pumpen. Er zog alle Aufmerksamkeit auf sich und doch gewahrte Julia auf den Lippen des Rabbi die Spur eines Lächelns.
    »Aaaaaaah«, stöhnte Jaroslav und warf den Kopf hin und her, als hinge er an einer langen Schnur und bilde ein Perpendikel.
    »Legen wir ihn auf eine Bank. Er hat einen Anfall!« Julias Vater reagierte als Erster. Doch da legte sich eine Hand auf den Arm des Vaters. Verblüfft sah dieser, dass es die Hand des Juden war. »Was fällt dir ein, Jude!«, keuchte er und entriss dem Rabbi seinen Unterarm.
    »Deshalb bin ich hier. Er hat keinen Anfall. Er hat eine Vision. Sobald ich erfahren habe, was er sagt, verschwinde ich wieder.«
    Mit geschlossenen Augen pendelte der Kopf des Scholaren hin und her, und als würde die Zeit plötzlich schneller eilen, beschleunigte sich auch die Bewegung, begleitet von einem lang gezogenen Stöhnen.
    Unvermittelt schlug der Kopf auf den harten Holztisch. Das Stöhnen erlosch. Eben wollte Julias Vater dem Studenten
zu Hilfe eilen, als der Scholar zu sprechen begann, deutlich, langsam und klar.
    »Hüte dich, Junge. Der Schatten droht. Das Blut ist angerührt. Firnis belebt den Schrecken. Das Böse erwacht, und das Land wird nicht mehr sein, wenn die Finsternis siegt.«
    Julias Vater wollte dem Studenten den Kopf halten, der im Takt seiner Sätze mehrmals hart gegen die Holzplatte schlug, doch der Rabbi hielt ihn erneut zurück. Er legte den Finger an den Mund. »Es ist gefährlich für ihn, wenn Ihr ihn weckt«, flüsterte er.
    Dann war der Spuk vorbei. Die Augenlider des Scholaren flatterten und er öffnete die Augen. Speichel tropfte auf den Tisch. In seinem Blick lag etwas Verstörtes, Unbeholfenes. Seine Gesichtszüge wirkten, als wäre er in wenigen Augenblicken gealtert. Verlegen wischte er sich den Mund ab und versuchte, aus den Blicken der anderen um ihn herum zu ergründen, was eben geschehen war.
    »Was …?«, stotterte er. »Das Bier …«, er deutete auf seinen Krug. »Es ist stark. Stärker, als ich dachte.«
    »Ihr hattet eine Vision!«, eröffnete ihm der Rabbi. »Euretwegen bin ich hierhergekommen.«
    Julias Vater drehte sich zu dem Rabbi um. »Ihr seid hier, weil Ihr wusstet, dass dieser arme Schlucker Jaroslav wirres Zeug daherreden würde?«
    Ein missbilligendes Lächeln spielte um die Lippen des Rabbi. Natürlich hatte er mitbekommen, wie abfällig ihr Vater von Jaroslav redete. Dennoch mäßigte er seine Stimme. »Es ist nicht in allen Ohren wirres Zeug. Man muss es zu deuten wissen.«
    Julias Vater verdrehte die Augen. »Ja, das muss man. Und an die Siebenmeilenstiefel glauben und daran, dass die Sonne auch nachts scheinen kann.«
    Der Spott übergoss den Rabbi regelrecht. Doch dieser
ließ sich nichts anmerken. Er wandte sich an Julia. »Ist dir von diesen Sätzen etwas bekannt vorgekommen, Julia?«
    Stille entstand. Mit großen Augen sah der Scholar von einem zum anderen. Dann stand er auf und hieb mit der Faust auf den Tisch. Alle erschraken und wandten sich ihm zu.
    »Wäre vielleicht irgendjemand so nett und würde mir sagen, was eben passiert ist? Was soll Julia bekannt vorkommen? Habe ich etwas gesagt?«
    Auch der Rabbi stand auf, und Julia hatte das untrügliche Gefühl, er sei auf einmal größer, als er eben noch gewesen war.
    »Entschuldigt, mein Sohn«, begann er mit seiner tiefen, ruhigen Stimme. »Ich hätte Euch warnen sollen. Ihr hattet eine Vision.«
    Mit offenem Mund blickte der Scholar den Rabbiner an. Dann begannen seine Augen unstet hin und her zu flattern, bis er sich schließlich niedersetzte. »Ihr … wusstet davon, nicht wahr?«
    »Dass Ihr eine Vision bekommen würdet? Ja. Aber ich wusste nicht, was Ihr mitzuteilen habt. Das hat mich neugierig gemacht.« Verlegen strich Rabbi Löw sich mit der Hand übers Gesicht.
    »Was habe ich gesagt? War es … bedeutend?« Von unten her musterte Jaroslav zuerst den Rabbi, dann Julia und schließlich ihren Vater.
    Letzterer zuckte mit den Schultern. »Es war lauter Unsinn. Irgendein Gestammel. Nichts Bedeutendes.«
    »Haltet besser den Mund«, donnerte jetzt die Stimme Rabbi Löws durch die Gaststube. »Ihr habt keine Ahnung. Zerredet nichts. Die Nacht ist bereits über Euch.«
    Julias Vater wollte aufbegehren, doch der Rabbi hob mahnend die Hand und wandte sich an Julia: »Noch einmal,
Kind. Was kam dir bekannt vor?« Zwischen den beiden Augenbrauen hatte sich eine tiefe Falte gebildet, die Julia bislang noch

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