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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
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nicht aufgefallen war. Sie konnte seinem Blick kaum standhalten, so intensiv schaute er in sie hinein.
    »Jaroslav«, begann sie zögernd. »Jaroslav hat von einem Jungen gesprochen.«
    Alle Augen richteten sich auf sie. Besonders die des Rabbi. Ihr war, als wisse er darum, was sie ihm verschwiegen hatte, und wollte es nun aus ihrem Mund hören. Sie senkte die Lider und blickte auf die Tischplatte. Rissig und speckig war sie und hätte sicherlich ein ganzes Buch voller Geschichten erzählt, wenn sie gekonnt hätte.
    »Von einem Jungen? Kennst du denn einen Jungen, der dir ungewöhnlich vorgekommen ist?«
    Langsam nickte Julia. »Gestern, im Vladislav-Saal hat mich ein Junge vor der Bestie gerettet. Vor dieser … Chimäre. Ja, Chimäre, so hat er immer gesagt. Sie hätte beinahe den Baron von Stackelberg getötet – und mich auch. Ich habe Euch nicht von ihm erzählt, weil es mir unwichtig erschien.«
    Dass sie dieses kleine Geheimnis nicht mit dem Rabbi hatte teilen wollen, verschwieg sie. Und doch glaubte sie zu wissen, dass der Rabbi wusste, was sie zu verbergen versuchte.
    Der Rabbi seufzte nämlich, und als Julia kurz aufblickte, glaubte sie, ein mitfühlendes und verständnisvolles Lächeln über sein Gesicht huschen zu sehen.
    Julias Vater war aufgesprungen, hatte dabei den Stuhl umgeworfen und stützte sich jetzt mit beiden Händen auf den Tisch. Sein Gesicht war voller Zorn über das Geständnis der Tochter, einem Jungen begegnet zu sein, ohne dass er es erfahren hatte – als unvermittelt ein Brüllen die Trommelfelle zittern ließ.

    »Das Böse ist erwacht!«, flüsterte Julia und schlug sich die Hände vors Gesicht. Dann starrte sie geradeaus, als sehe sie etwas in der Ferne liegen. Ein Gefühl brach in ihr auf, wie eine Quelle urplötzlich aus der Erde bricht und den Boden wässert und fruchtbar macht. Sie begriff, was sie tun musste, egal was ihr Vater sagte, weil es um sie ging, und nur um sie und Jan. »Ich muss ihn warnen. Jetzt gleich.«

19
    Der Angriff des Leu
    J an stürzte die Treppen hinab und aus dem Haus. »Julia!«, hallte es in seinem Kopf wider. Er musste sie warnen. So schnell war er noch niemals gerannt. In seinem Kopf wuchs sich die Bedrohung, vor der er sie warnen wollte, zu einer riesigen Bohnenranke aus, die in den Himmel wuchs und mit jedem Schritt, den er dem Gasthof näher kam, an Monstrosität gewann.
    Die abschüssige Straße tat ein Übriges und beschleunigte seinen Lauf derart, dass er wahrhaft meinte zu fliegen. Zwei-, dreimal versuchte er abzuheben, indem er hochsprang und mit den Armen ruderte, doch die Erde holte ihn immer wieder zu sich zurück. Er war kein Geschöpf der Luft.
    Blind rannte er die Gasse zur Karlsbrücke hinunter und auf den Torturm zu. Blind ließ er sich von der abschüssigen Gasse leiten. Blind vor Angst um Julia und blind für die Welt um sich her.
    Wäre der Leu still geblieben, wäre Jan wohl direkt in ihn hineingerannt. Doch der brüllte seine Beutegier und seine
Angriffslust hinaus – und brachte Jan damit jäh zum Stehen.
    Ihm war, als hätte er bislang seinen Kopf unter Wasser gehalten und nichts von seiner Umgebung mitbekommen. Jetzt tauchte er auf – und der Schreck fuhr ihm derart in die Glieder, dass ihm schlecht wurde. Mit riesigen Sätzen jagte der Leu vor ihm durch die Gassen der Kleinseite, die er von hier oben gut übersehen konnte, rötlich schimmernd im Licht des Mondes.
    Sofort war Jan klar: Sie hatten beide dasselbe Ziel – Julia.
    Die Luft vibrierte regelrecht unter dem Gebrüll der Kreatur und traf auf Ohr und Bauch. Irgendwo wurden Fensterläden zugeschlagen und Kinder weinten hinter verschlossenen Türen. Warum um alles in der Welt konnte er nicht fliegen?
    Jan wusste, dass er den Gasthof vor dem Leu erreichen musste, wenn er Julia retten wollte. Er holte das Letzte aus sich heraus und raste die abschüssige Gasse hinab. – Doch er kam zu spät. Während seine Lungen schmerzten und die Luft knapp wurde, gelangte die Kreatur vor dem Gasthof an und zeigte ihren Sieg in diesem Wettlauf durch ein ohrenbetäubendes Brüllen an.
    Was bist du nur für ein Narr gewesen, beschimpfte sich Jan, als ihm wieder einmal bewusst wurde, welche Eigenschaften er seinem Geschöpf mitgegeben hatte. Schnelligkeit war eine davon.
    »Pst! Jan!«, hallte es aus der Dämmerung zu ihm herüber. Das Blut rauschte derart in seinen Ohren, dass er zuerst glaubte, seine Sinne hätten ihn genarrt.
    »Pst! Hierher!«
    Es war keine Täuschung. Doch Jan war

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