Haus der Schatten (Unheimlicher Roman/Romantic Thriller) (German Edition)
Francine vielleicht imponieren wollte. Aber das konnte kaum irgend welchen Eindruck auf sie machen, jedenfalls keinen positiven. Sie ertappte sich dabei, wie sie sich angstvoll am Sitz festklammerte, obgleich sie angeschnallt war.
"Könntest du nicht etwas langsamer fahren, Colin?"
"Wenn du willst..." Ein ziemlich dünnes Lächeln machte sich um seine Lippen breit.
Francine blieb fest. "Ich will es. Sonst hätte ich auch mit einem Taxi fahren können, die rasen auch immer wie die Verrückten... Aber für die ist Zeit ja auch Geld."
"Für mich ebenfalls!"
Er verzog das Gesicht zu einer Maske.
Nein, entschied Francine. Es hatte sich nichts zwischen ihnen beiden geändert. Sie mochte Colin Randolph noch immer nicht... Er war ihr zu glatt, zu kalt - und zu undurchsichtig, um ihn sympathisch finden zu können! In schneller Fahrt verließen sie die Stadt, gelangten von großen, auf kleine Straßen und hatten schließlich das Haus von Jeffrey J. Baily erreicht, jenes Haus, in dem Francine großgeworden war. Eine hohe Mauer umgab das Anwesen wie ein Schutzwall, dahinter waren weiträumige Parkanlagen und dann schließlich das Haus selbst, sowie einige Gebäude, in denen Bedienstete einquartiert waren. Colin Randolph stoppte den Wagen vor dem herrschaftlichen Portal und Francine ging bei dem Anblick des riesigen, aus grauem, kaltem Stein erbauten Haus ein Schauer über den Rücken. Alles hier schien düster, kalt und feucht zu sein: Die Luft, das Wetter, der bewölkte Himmel, das Haus... Francine hatte schon gute Gründe gehabt, um diesen trüben Ort gegen das sonnige Kalifornien einzutauschen! Aber nun war sie wieder hier her zurückgekehrt und jetzt gab es wohl auch erst einmal kein Zurück mehr.
"Ich bringe den Wagen weg", meinte Colin. "Wenn du willst, kannst du schon einmal ins Haus gehen."
"Mein Koffer..."
"Darum kann ich mich kümmern!"
Er sagte das sehr bestimmt, so als wollte er unbedingt, dass sie jetzt den Wagen verließ, die Stufen des Portals hinaufging und im Haus verschwand.
Und dort würde sie unweigerlich auf Dad treffen! Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, dann musste sie zugeben, dass sie vor diesem Moment eine Heidenangst hatte. Sie versuchte sich selbst ein wenig zu beruhigen, indem sie sich sagte, dass ihr Dad sie schließlich nicht ohne Grund zu sich gerufen haben würde. Ganz gleich, wie das Zusammentreffen auch immer verlaufen mochte - schlechter konnte es zwischen ihnen beiden ohnehin kaum noch werden. Sie zuckte also mit den Schultern.
"Gut", meinte sie.
"Wir sehen uns dann sicher nachher noch, Francine..."
"Ja, sicher."
Sie sagte das wie in Trance. Mit den Gedanken war sie bereits ganz woanders.
*
"Wen darf ich bitte melden?", fragte ein schon etwas älterer und sehr steifer Majordomus, den Francine nicht kannte. Er war noch nicht im Haus beschäftigt gewesen, als sie das letzte Mal hier war. Seine sehr abweisende Art gefiel Francine nicht.
"Ich bin Francine, die Tochter von Mr. Baily. Mein Vater erwartet mich..."
Francine erntete dafür ein Stirnrunzeln. Aber dann wurde sie angehalten, dem Majordomus zu folgen. Sie kamen in ein Wohnzimmer mit hohen Fenstern. An einem der Fenster stand Dad.
Francine sah den Rücken seiner stattlichen Erscheinung und dachte: Was soll ich jetzt gleich sagen? Alles drehte sich in ihrem Kopf. Kein klarer Gedanke wollte sich bilden, so sehr sie sich auch zusammenzureißen suchte.
"Mr. Baily... Ihre Tochter!"
Mr. Baily drehte sich herum und musterte Francine mit einem halb verwunderten, halb nachdenklichen Blick. Seine Stirn lag in Falten und um seine Mundwinkel war ein harter, bitterer Zug. So kannte sie ihren Dad, genau so und nicht anders... Und doch liebte sie ihn von ganzem Herzen und das war es, was alles so kompliziert machte!
"Dad..."
"Francine!" Er sagte das, als würde er erst jetzt wirklich begreifen, dass seine Tochter vor ihm stand.
"Ich bin so froh..."
Wenn sie ehrlich war, dann musste sie sich eingestehen, dass sie nicht wusste, wie sie anfangen sollte. Zu lange hatte gegenseitiges Schweigen geherrscht und das rächte sich nun.
Und doch hatte Francine ein Gefühl von Zuversicht. Wenn sie beide es wirklich wollten, dann würden sie auch wieder zueinander finden können.
Jeffrey J. Bailys Stirn legte sich in Falten. Er unterzog seine Tochter einer kritischen Musterung.
Schließlich sagte er mit ruhiger Stimme: "Es überrascht mich, dich zu sehen, Francine!"
"Es überrascht dich, Dad?"
"Als wir uns das letzte Mal sahen,
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