Haus der Schatten (Unheimlicher Roman/Romantic Thriller) (German Edition)
Francine auf einmal zusammen. Sie hörte ein Knarren und Schritte und erschrak. Das Licht ging an und dann sah sie Colin Randolph. Er hatte einen Morgenmantel übergeworfen und warf Francine einen etwas misstrauischen Blick zu.
"Francine! Du bist noch auf?", fragte er dann schließlich. Francine konnte den harten Unterton seiner Stimme nicht überhören. Sie schluckte, während Colin sie mit seinen eisgrauen Augen musterte.
"Nein", sagte sie. "Ich konnte nicht schlafen", meinte sie.
Colin zuckte mit den Schultern.
"Mir ist es ähnlich gegangen. Ich habe im Wohnzimmer gesessen und etwas gelesen. Und nun hoffe ich, dass ich müde genug bin, um endlich einschlafen zu können..."
"Es ist so furchtbar, was geschehen ist!"
Er nickte.
"Ja, Francine..."
"Wer könnte Dad umgebracht haben?"
"Ich weiß es nicht. Das wird die Polizei hoffentlich herausfinden..."
Der Tonfall, in dem er das sagte, war irgendwie merkwürdig. Francine konnte nicht erklären, was ihr daran missfiel. Irgendetwas stimmte hier nicht! Und wie es schien, würde sie selbst herausfinden müssen, was das war, denn ansonsten schien niemand daran interessiert zu sein.
"Glaubst du, dass ich meinen Vater umgebracht habe, Colin?"
Sie sah ihn mit festem Blick an.
Colin machte eine unsichere Bewegung, fast so, als wollte er damit Verlegenheit signalisieren.
"Nun, ich..."
"Ich habe eine klare Frage gestellt und möchte eine klare Antwort, Colin!"
"Es scheint alles in diese Richtung zu deuten... Aber Mr. Lamont ist ein ausgezeichneter Anwalt und er wird die Indizien der Gegenseite im Prozess zu entkräften wissen, davon bin ich fest überzeugt!"
"Du glaubst also, dass ich tatsächlich angeklagt werde?"
Er zog die Augenbrauen in die Höhe.
"Ist das denn so unwahrscheinlich - nach allem, was geschehen ist?"
Nein, dachte Francine. Da hat er Recht! Das ist wirklich alles andere als unwahrscheinlich geworden. Und für Colin Randolph schien es schon fast so etwas wie eine Tatsache zu sein... Colin ging an ihr vorbei.
"Gute Nacht, Francine."
"Gute Nacht."
*
Auch im weiteren Verlauf dieser Nacht schlief Francine nicht gut.
Immer wieder wälzte sie sich im Bett hin und her und konnte keine Ruhe finden. Und wenn sie dann doch zwischendurch von der Müdigkeit übermannt wurde, dann wachte sie wenig später schweißgebadet und von Alpträumen gequält wieder auf. Schließlich gab sie es erst einmal auf. Sie schlug die Bettdecke zur Seite und ging zum Fenster ihres Zimmers, von dem aus man die gesamte Vorderfront des Baily-Hauses überblicken konnte. Draußen tobte der Wind, der pfeifend um das Haus ging. Der Himmel war bewölkt und weder Mond noch Sterne waren sichtbar. Nur ein schwaches Leuchten drang durch die dichte Wolkendecke.
Und dann geschah es! Francine erstarrte, als sie die Stimme hörte. Es waren dumpfe, abgehackte Worte, die Francine das Blut in den Adern gefrieren ließen.
"Ich...finde...keine...Ruhe...!" Francine schluckte. Sie wirbelte herum, um zu sehen, woher diese Stimme kommen mochte. Aber außer ihr wahr niemand im Raum, das Radio lief nicht. "...keine Ruhe...", kam es wieder dumpf an ihre Ohren und es war Francine, als würde sich eine eiskalte Hand auf ihre Schulter legen und sie frösteln lassen.
Ich kenne diese Stimme!, hämmerte es in ihrem Kopf.
Und dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Als die Erkenntnis über sie hereinbrach, glaubte sie im ersten Moment, den Verstand zu verlieren und wahnsinnig zu werden. Diese Stimme, da war sie sich auf einmal ganz sicher, war die Stimme ihres Vaters!
Etwas verändert zwar, etwas dumpfer und so seltsam abgehackt in der Sprechweise - aber für Francine gab es keinen Zweifel. In einem fort murmelte die Stimme vor sich hin. Manches verstand Francine nicht, manches schien auch keinerlei Sinn zu ergeben. Aber ein Satz kehrte immer wieder: "Ich finde keine Ruhe!" Francine spürte ihr Herz bis zum Hals schlagen. Kalter Schweiß brach ihr aus.
Sie war eine aufgeklärte, moderne junge Frau, die studiert hatte. Mit Aberglauben, übernatürlichen Erscheinungen und Okkultismus hatte sie nicht das Geringste im Sinn.
Aber diese Stimme ließ sich nicht wegdiskutieren! Sie war da!
Francine hörte sie schließlich deutlich genug! Immer noch ließ sie den Blick kreisen und ging in ihrem Zimmer umher, um den Ursprung dieser unheimlichen Stimme zu ergründen. Sie machte Licht und blickte sich um. Das Licht nahm ihr ein wenig von ihrer Furcht, aber die Stimme vertrieb es keineswegs.
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