Haus der Schatten (Unheimlicher Roman/Romantic Thriller) (German Edition)
Merkwürdige ist, dass Dad nichts von dem Brief wusste..."
Harris runzelte die Stirn.
"Wo ist der Brief?", fragte er.
Francine machte ein hilfloses Gesicht.
"Er ist nicht mehr da. Ich hatte ihn in meiner Manteltasche, aber dort ist er nicht mehr... Jemand muss ihn herausgenommen haben!"
"Wer sollte so etwas tun?"
"Derjenige, der ihn geschrieben hat, um mich hier her zu locken..."
"Sie meinen, derjenige, der Ihren Vater getötet hat und Sie brauchte, um jemanden zu haben, auf den er den Verdacht lenken konnte?"
"Ja."
Sie sah ihm an, dass es ihm schwerfiel, so etwas zu glauben.
"Und wer sollte das sein?", fragte Harris.
"Es kommt jeder in Frage hier im Haus. Jeder, der gestern Abend mit am Tisch gesessen hat. Während ich bei Miss Gormley in der Küche war, war für jeden von ihnen genug Zeit. Für die Randolphs ebenso wie für Mr. Lamont, den Butler Bradley oder den Majordomus Jenkins."
Sie machte eine Pause und sah ihn mit großen Augen an. Er erwiderte ihren Blick und sie glaubte Zweifel in seinen warmen, ruhigen Augen zu sehen... Francine ließ die Schultern hängen. Wie konnte sie ihn nur überzeugen? Wie konnte sie überhaupt irgendjemanden von einer düsteren Geschichte überzeugen, für die es nicht den Hauch eines Beweises gab?
"Ich weiß, dass das wie eine ziemlich wilde, an den Haaren herbeigezogene Geschichte klingt, nicht wahr?"
"Ich mag Sie und ich würde Ihnen gerne glauben, aber..."
"Aber es klingt einfach zu haarsträubend, nicht wahr?"
"Ja. Außerdem fehlt ein Motiv. Sie sind bisher die Einzige, die einen Vorteil vom Tod ihres Vaters hat..."
*
Wenig später, als Harris sie wieder verlassen hatte, befand sich Francine wieder allein ihrem Zimmer.
Sie hörte, wie Harris Treppe hinunterging. Die Stufen knarrten laut unter den Schritten des Inspectors.
Sie trat an Fenster und blickte hinaus.
Draußen herrschte ein graues, trübes Wetter, das irgendwie wie ein Spiegelbild ihrer Stimmung zu sein schien.
"...keine...Ruhe..."
Francine erstarrte, als die Stimme sie plötzlich aus ihren Tagträumen riss.
Nein, dies war kein nächtlicher Alptraum. Sie hörte wirklich die Stimme ihres toten Vaters.
"...keine...Ruhe..." Von überall her schienen diese dumpfen Worte zu kommen. Francine hielt es nicht mehr aus. Ihre Anspannung entlud sich nun in einem schrillen Schrei.
"Nein!"
Sie war wie von Sinnen. Es war einfach zu viel für sie.
Dann flog die Tür auf und Inspector Harris blickte sie verwirrt an. Er musste den Schrei gehört haben und dann sofort die Treppe wieder hinaufgeeilt sein.
Harris nahm sie bei den Schultern, während Francine sich langsam zu beruhigen begann und nach Luft schnappte.
"Was ist los?", erkundigte er sich. Ein durchdringender Blick musterte sie prüfend.
"Mein Gott...", flüsterte Francine vor sich hin.
"Was ist denn geschehen? Worüber haben Sie sich so erschrocken?"
Und dann wurde ihr mit einem Mal bewusst, dass die Totenstimme verstummt war. Es war nichts mehr zu hören.
"Es ist nichts", murmelte sie, noch immer fast wie in einer Art Trance. Sie wischte sich mit einer fahrigen Bewegung über das Gesicht, so als könnte sie damit die dunklen Schatten, die nach ihr leckten und ihr den Verstand zu rauben drohten, endgültig vertreiben.
Harris ließ sie los und hob die Augenbrauen.
"Nichts?", vergewisserte er sich skeptisch. "Das sieht mir nicht so aus!"
Francine versuchte, etwas gelöster zu wirken.
Sie lächelte, aber das Lächeln wollte ihr nicht so recht gelingen.
"Wahrscheinlich bin ich einfach nur furchtbar überreizt und völlig hysterisch!", meinte sie.
"Ich weiß nicht", gab Harris zweifelnd zurück.
"Jedenfalls ist es nett, dass sie gleich gekommen sind und nachgesehen haben, Mr. Harris."
"Das ist doch selbstverständlich."
"Auf Wiedersehen!"
Harris nickte. "Wir werden uns bestimmt in nächster Zeit wiedersehen, Miss Harris. Davon gehe ich auch aus."
*
Über dem Baily-Haus lag eine seltsame Spannung. Francine konnte sie förmlich fühlen. Mr. Lamont, der Anwalt suchte sie zwischendurch auf und fragte sie, ob sie in der Firma zukünftig etwas zu ändern gedenke. Entscheidungen standen an, die nicht aufgeschoben werden konnten, wenn man Lamonts Worten Glauben schenken konnte. "Ich verstehe nichts davon, Mr. Lamont. Tun Sie, was Sie für nötig halten."
"In Ordnung."
Vielleicht wird mir nichts anderes übrigbleiben, als mich in diese Dinge hineinzuknien!, dachte sie dann. Aber zunächst musste dieser schreckliche Verdacht
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