Haus der Sonne
mich. »Wer, zum Teufel, ist das?«
Die vogelknochige Frau warf mir ein flüchtiges wissendes Lächeln zu, doch es war Pohaku, der antwortete. »Sie haben um schamanische Unterstützung gebeten«, sagte er kategorisch.
»Sie?«
Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber seine Miene wurde noch kälter. »Akaku'akanene genießt das volle Vertrauen des Ali'i«, sagte er ernst, wobei er den Rest des Gedankens - ›und das sollte für deinesgleichen genügen ‹ - unausgesprochen ließ.
Ich hob eine Hand. »Aka-wie?«
»Akaku'akanene.« Das kam von der vogelknochigen Frau. Ihre Stimme klang schneidend, durchdringend, abrupt. »Mein Name. Bedeutet ›Vision der Gans‹.«
»Aha.« Ich hielt kurz inne. »Hören Sie, ich will mich nicht wie ein paranoides Spatzenhirn aufführen, aber...«
Akaku'akanene bedachte mich mit einem weiteren dieser flüchtigen Lächeln, die typisch für sie zu sein schienen. (Einen Moment lang legte mein Gedächtnis ein Bild meines alten Chummers Buddy über das Gesicht der Schamanin. Die Manierismen waren sich schmerzlich ähnlich. Mit einiger Mühe, schluckte ich meine Trauer hinunter.) »Bin ich Ihnen gefolgt?« fuhr sie für mich fort. »Ja.«
Ich schüttelte den Kopf. Das war nicht die Antwort, die ich erwartet hatte. Drek, ich hatte auf ein nettes, beruhigendes »Seien Sie kein Idiot« gehofft.
»Wie?« fragte ich. »Warum?« Dann kehrte ich wieder zu »Wie?« zurück. Mein erstes Gespräch mit Gordon Ho, dem Ali'i, hatte ich geführt, nachdem ich sie die beiden Male gesehen hatte. Woher, zum Teufel, hatte sie überhaupt gewußt, daß ich existiere?
»Warum?« wiederholte sie. »Nene hat von Ihnen gesungen.«
Ich wartete darauf, daß sie fortfuhr - daß sie etwas sagte, das auch einen Sinn ergab. Als sie das nicht tat, erwiderte ich: »Hä?«
»Nene hat von Ihnen gesungen«, wiederholte sie geduldig. »Sie sieht Ihren 'uhane. Ihren Geist. Sie sind die Achse. Wichtige Dinge drehen sich um Sie.« Sie sagte all das, als sei es absolut offensichtlich, als sei ich ein Obertrottel, weil ich es nicht schon längst wußte.
Okay, ich nehme an, ich war ein Obertrottel. Ich wußte nicht, wovon, zum Teufel, sie redete. Nene... das war eine Gans, oder? Ja, genau, die neue war diese hawai'ia-nische Gans - die mit den Krallen, die Vulkane oder irgendwas mag -, von der Scott erzählt hatte. Also hatte eine Gans mit dieser Frau geredet...?
Oder vielleicht war Nene irgendeine einheimische Totem-Kreatur. Ja, das ergab zumindest einen gewissen Sinn. Im pazifischen Nordwesten sind Bär und Wolf ziemlich verbreitete Totems. In der Prärie bekommen Schlange und Koyote den Zuschlag. Unten in Florida wird Alligator bevorzugt. Warum dann nicht Nene in Hawai'i? Natürlich zerstreute diese Überlegung meine Zweifel nicht. Ich hatte mich mit der Vorstellung von Totems als reale diskrete Wesenheiten noch nie so recht anfreunden können. Ich glaube, ich habe sie im stillen immer als psychologische Konstrukte betrachtet, die Schamanen benutzen, um schlau aus der Magie zu werden, ohne ihnen eine reale, eigenständige Existenz einzuräumen. Ob Akaku'akanene mir folgte, weil ihr das eine Gans gesagt hatte oder eine Stimme in ihrem Kopf, ich fand die ganze Sache trotzdem ziemlich merkwürdig.
Tja, jedenfalls, nichts von alledem war im Moment wichtig. Sollte die alte Frau Vögeln zuhören, wenn sie wollte. »Was ist mit den Besuchern?« fragte ich sie.
»Sind draußen. Zwei.«
»Sauber?« fragte Pohaku.
»Nein«, antwortete Akaku'akanene, ohne zu zögern. »Aber sie sind unbewaffnet.« Pohaku blinzelte daraufhin. Ich fühlte mich gleich eine Spur besser, als ich sah, daß er die schamanische Weltsicht von Zeit zu Zeit ebenfalls ein wenig verwirrend fand.
»Und Lupo ist bei ihnen?« hakte der Leibwächter nach.
Akaku'akanene nickte.
Pohaku wandte sich an mich. »Fertig?«
Ich zuckte die Achseln. »Nein«, gab ich ehrlich zu. »Aber wir können trotzdem anfangen.«
Der Leibwächter nickte und gab Akaku'akanene ein Zeichen. Die alte Frau öffnete die Tür und ging wieder nach draußen. Ich hörte, wie Kono hinter mir eine andere Stellung bezog. Pohaku hatte wieder seine Waffe gezogen, deren Lauf zwar auf die Decke zeigte, die jedoch entsichert war. Ich ging wieder in die Mitte des Raumes und tat, was ich konnte, um mich auf das bevorstehende Treffen vorzubereiten. »Freunde von Adrian Skyhill.« Einfach Sahne.
Die Tür schwang auf, und ein weiterer Leibwächter mit derselben Statur wie Pohaku - das
Weitere Kostenlose Bücher