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Haus der Sonne

Haus der Sonne

Titel: Haus der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel Findley
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mußte Lupo sein - trat ein. Ein kleiner Mann folgte ihm.
    Er war ein Mensch durchschnittlicher Größe und durchschnittlicher Statur. Sein Haar war mittelbraun, das Gesicht nichtssagend. Drek, wenn es so etwas wie Nichtwesenheiten gab, dann war er das beste Beispiel dafür, das mir in meinem ganzen Leben untergekommen war. Wäre ich auf der Straße an ihm vorbeigegangen, glaube ich nicht, daß ich ihn zur Kenntnis genommen hätte. Erinnert hätte ich mich auf keinen Fall an ihn. Das einzige Merkmal, das ihm so etwas wie Charakter verlieh, waren seine Augen.
    Sie waren grau, bläßlich und wässerig grau. Sie glänzten, als sei er kurz davor zu weinen, oder als hätte er sie sich mit Glyzerin eingerieben. Und sie schienen nicht zu blinzeln. Jene Augen, die von einem ausdruckslosen Gesicht umgeben waren, ruhten auf mir, und ich verspürte den Drang, mich hinter einem Sofa zu verstecken.
    Dann führte Akaku'akanene seine Begleiterin herein, und ich vergaß den graugesichtigen Mann.
    »O Jesus Christus, nein ...« Meine Stimme war ein jämmerliches Winseln. Es hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte mich auf den Boden gesetzt, die Hände vor das Gesicht geschlagen und geheult wie ein verdammtes Baby.
    Das zweite Mitglied der Abordnung hatte dieselben glänzenden Augen wie der nichtssagende Mann, nur daß sie braun anstatt grau waren. Ich kannte diese Augen. Ich hatte sie lachen und weinen gesehen.
    »Hallo, Bruderherz«, sagte meine Schwester Theresa.

20
    Ach, Jesus, Theresa...« Ich fühlte mich, als sei mir alles Blut aus dem Körper gesogen und durch Eiswasser ersetzt worden. Ich fühlte mich, als seien mir die Fundamente meiner Welt unter den Füßen weggezogen worden. Ich fühlte mich wie ein Kind, das man gezwungen hatte, sich den enthaupteten Körper seiner Lieblingspuppe anzusehen. Ich fühlte mich wie... Wie konnte ich es auch nur mir selbst beschreiben?
    Meine Schwester. Das einzige in meinem ganzen Leben, worauf ich stolz sein konnte - die eine idiotische Edle-Ritter-Reaktion, die wirklich etwas gebracht hatte -, war die Tatsache, daß ich Theresa aus jener kleinen Vorhölle unter Fort Lewis geholt hatte. Und ihr über die Alpträume und das posttraumatische Streß-Syndrom und all den Drek, der danach noch kam, hinweggeholfen hatte. Gesehen hatte, daß sie clean war, clean und geistig gesund, und sie dann ihr eigenes Leben hatte leben lassen.
    Wofür? Wozu war das gut gewesen, können Sie mir das sagen? All die Leiden und Qualen... wofür? Drek, ebensogut hätte ich sie an jenem eitergelben Nabel im Nest von Fort Lewis und die astralen Parasiten - die Wespengeister - in ihrer Aura lassen können. Es war alles umsonst gewesen, das konnte ich in den glasigen Augen meiner Schwester erkennen- Die eine Sache in meinem Leben, von der ich geglaubt hatte, ich hätte sie richtig gemacht... jetzt hatte sich die auch in Drek verwandelt. Ach, zum Teufel damit. Ich konnte ebensogut meiner Linie treu bleiben, neh? Zumindest kann ich darauf stolz sein.
    Der Körper meiner Schwester stand vor mir, ein Lächeln auf dem Gesicht. Irgend etwas sah mich aus jenen vertrauten Augen an, jenen Augen, die immer in der Lage zu sein schienen, dort Wunder und Schönheit zu sehen, wo ich nur Leiden und Gefahr sah. Irgend etwas... War Theresa noch da? War in dieser Hülle von einem Körper noch etwas von meiner Schwester übrig? Oder war sie weg, für immer verschwunden?
    Es war fast so, als könne Theresa - oder das Ding, das jetzt in ihrem Körper steckte - meine Gedanken lesen. »Ich bin hier, Derek«, sagte sie leise. »Ich bin hier. Ich bin Theresa, aber ich bin noch mehr.«
    »Warum?« Meine Stimme war ein heiseres Flüstern, die Lautäußerung eines Opfers der Folter.
    Sie lächelte. Es war das Lächeln meiner Schwester, Theresas Lächeln. Es schmerzte so sehr, daß ich mir wünschte, ich könnte auf der Stelle sterben. »Warum?« wiederholte sie. Sie sah weg, und ihre Brauen kräuselten sich so, wie sie es immer taten, wenn sie angestrengt nachdachte. »Ich würde eine Million Worte brauchen, um es zu erklären«, sagte sie zögernd, »oder auch nur eines.«
    »Eines?«
    »Liebe«, sagte meine Schwester entschlossen. »Das ist die einzige Antwort, der Kern. Das Herzstück von allem.«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte schreien, ich wollte wegrennen. Ich wollte sie packen und schütteln. Aber ich sagte nur leise: »Das verstehe ich nicht, Theresa.«
    »Es ist ganz einfach, Derek, echt«, sagte sie mit sanfter, freundlicher

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