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Haus der Sonne

Haus der Sonne

Titel: Haus der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel Findley
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diese Lebensweise, weil sie sie von sich aus wählen, weil es das ist, was sie in ihrem tiefsten Innern wirklich wollen.«
    »Blödsinn«, fauchte ich, plötzlich wütend. »Als ich dich fand, hast du in einem verdammten Koma gelegen und hattest eine verdammte Nabelschnur in dir, Theresa. Das sieht für mich nicht nach freier Wahl aus.«
    Meine Wut ließ sie kalt, und als ich das sah, schien sich mein Zorn einfach aufzulösen und ließ mich innerlich leer zurück. Sie zuckte die Schultern. »Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie es dazu gekommen ist, Derek«, gab sie zu. »Aber ich erinnere mich noch daran, was ich fühlte, als ich dazugehörte.«
    »Wie solltest du? Du lagst im Koma.«
    Sie zuckte wiederum die Achseln. »Ich weiß nicht, wie, ich weiß nur, daß ich es tue.«
    »Du hast nie darüber geredet. Weder mit mir noch mit den Ärzten und Therapeuten...«
    »Ich weiß. Vielleicht wollte ein Teil von mir nicht darüber reden - sich nicht daran erinnern oder es vielleicht auch nicht zugeben. Aber die Erinnerung daran war da, Derek, und ist es noch immer. Ich hatte nicht ständig Zugang dazu. Vielleicht hat sie sich in Träumen geäußert - Träumen, aus denen ich erwachte und mir die Augen ausheulte, weil ich mich so einsam und leer fühlte.
    Ich bin gereist«, fuhr sie sanft fort. »Ich bin in andere Städte gereist. Ich habe mir die Leute angesehen, und die fühlten sich auch einsam und leer. Manche von ihnen wußten es. Die meisten von ihnen konnten sich nicht überwinden, darüber nachzudenken. Sie waren alle allein, alle waren allem. Und die Erinnerungen kamen mir immer öfter und wurden immer stärker. Und die Trauer wollte nicht verschwinden.«
    »Also bist du zu ihnen zurückgegangen.« Meine Stimme klang in meinen Ohren wie ein kalter Wind, der über einen Friedhof fegt.
    »Zuerst nicht«, korrigierte sie.
    »Warum nicht, wenn dein Leben so furchtbar war?«
    »Wegen dir, Derek. Weil ich Angst hatte, du würdest es nicht verstehen und nicht gutheißen.«
    Ich verstehe es auch nicht und heiße es noch zveniger gut, sagte ich nicht. Ich nickte nur wortlos.
    »Und dann fiel mir etwas ein, etwas, das du mir gesagt hast«, fuhr sie fort, »und ich traf meine Entscheidung.«
    Das schockierte mich. »Etwas, das ich dir gesagt habe?«
    »Natürlich. Du hast mir einmal gesagt, daß ich mein Leben mit dem Ende vor Augen leben solle. Erinnerst du dich noch, Derek? Das hast du als eine Art Entscheidungshilfe vorgeschlagen. Daß ich mir vorstellen sollte, ich sei am Ende meines Lebens angelangt und schaue zurück. Würde es Reue geben? Würde ich auf dem Totenbett liegen und um eine Chance bitten, noch einmal zurückgehen und etwas tun zu können - etwas zu erleben, etwas zu haben was ich zuvor abgelehnt hatte? Erinnerst du dich noch, Dirk?«
    Ja, natürlich erinnerte ich mich daran, jetzt, wo sie es mir wieder vorplapperte. Wieder eine dieser oberflächlichen Vereinfachungen, die ich anscheinend ganz spontan aus dem Ärmel schütteln konnte. Vielleicht glaubte ich sie sogar manchmal selbst. Wenn ich an meinem Computer saß und noch ein paar Zeilen Programmcode zu schreiben hatte und wußte, daß draußen über der Skyline von Cheyenne ein wunderbarer Sonnenuntergang stattfand, zum Beispiel. Woran werde ich mich erinnern, wenn ich auf dem Totenbett liege, fragte ich mich dann: an einen ergreifenden Sonnenuntergang oder an ein weiteres Dutzend Zeilen Programmcode? Wenn schon nichts anderes, so war es doch eine bequeme Entschuldigung dafür, Arbeit Arbeit sein zu lassen.
    »Ich dachte daran, was du gesagt hattest«, fuhr Theresa fort. »Ich dachte ans Sterben. Und ich dachte daran zu sterben, ohne diese Liebe, dieses Dazugehören, je wieder zu spüren. Das konnte ich nicht ertragen.«
    »Also bist du zu ihnen zurückgekehrt«, wiederholte ich.
    »Tatsächlich sind sie zu mir gekommen«, korrigierte sie. »In Denver. Es war, als wüßten sie, daß ich da war und daß ich sie brauchte. Sie sind zu mir gekommen und haben mir angeboten, mich zu lieben und mich zu brauchen.«
    »Und Besitz von dir zu ergreifen«, spie ich die Wörter förmlich aus, »und dir deine gottverdammte Seele zu stehlen!«
    Meine Schwester sah mich traurig an. Es war eine... eine komplexe Trauer, anders kann ich es nicht beschreiben: Bedauern, das mit Verständnis und etwas anderem vermischt war, bei dem es sich fast um Mitleid handeln konnte. Ich haßte den Ausdruck in ihren Augen. Ich fürchtete ihn.
    »So ist es nicht, Derek.« Ihre

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