Haus der Sonne
Handlungsfreiheit war Aka-ku'akanene selbst. Warum unternahm die Schamanin dann aber nichts? Konnte sie nicht irgendeinen Zauber wirken, ihm die Kanone aus der Hand schlagen und den Wichser erstarren lassen?
Nein, wurde mir klar. Er mußte eine Art magischen Schutz haben, irgendeine Barriere zur Abwehr von Zaubern oder irgendwas - wahrscheinlich per Zauber mit ihm verbunden, so daß sie Teil seiner Aura war. Also war Akaku'akanene ebenso zur Tatenlosigkeit verurteilt wie wir.
Hangabwärts konnte ich die Wellen der Magie spüren, die der Tanz erzeugte. Mein Magen verkrampfte sich und drehte sich um. Meine Eingeweide fühlten sich an, als seien sie voller Eiswasser. Zum Teufel damit, ich mußte irgend etwas unternehmen. Ich mußte etwas riskieren. Wenn ich Pohaku umlegte - und Akaku'akanene dabei nicht gegeekt wurde -, konnte mich die Schamanin vor den Hütergeistern abschirmen, während ich zu den Tänzern rannte... Ich holte tief und energisch Luft und behielt mein Sturmgewehr im Augenwinkel. Ich würde nicht viel Zeit haben, um es richtig zu machen. Ich spannte mich...
Und da flog sie in mein Blickfeld. Eine nene - eine verdammte Gans. Schreiend und mit den Flügeln flatternd, rauschte sie von rechts heran und scheinbar direkt auf Akaku'akanenes Kopf zu.
Pohaku reagierte instinktiv, indem er den Ellbogen hochriß, um sein Gesicht zu schützen. Den rechten Ellbogen, den Ellbogen seiner Waffenhand. Die Holdout-Pi-stole war nicht mehr auf die Schläfe der Schamanin gerichtet.
Der Zeitablauf schien auf Zeitlupe umzuschalten. Während ich nach meinem Sturmgewehr tauchte, sah ich die Gans heranrauschen. Pohakus Reaktion erfolgte einen Augenblick zu spät, und die Krallen des großen Vogels zerkratzten sein Gesicht. Er schrie vor Schmerz und Schreck auf und wich vor der Gefahr für seine Augen zurück.
Und dann schien alles gleichzeitig zu passieren. Kaum war der Lauf der Holdout-Pistole nicht mehr auf Akaku'akanenes Kopf gerichtet, als die Schamanin mit dem Ellbogen zustieß. Der harte Knochen versank tief in der Kehle des Leibwächters, stieß ihn zurück und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Fast gleichzeitig knallte ein Schuß, als Kono - die offenbar dieselbe Idee wie ich gehabt hatte - Pohaku eine Kugel durch den Kopf jagte. Und dann hatte ich das Ares-Sturmgewehr gepackt, und der Lauf kam hoch, während der Laserzielpunkt auf Pohakus stolperndem Körper tanzte. Ich zog durch, und das Gewehr knatterte nicht im Automatikmodus, sondern kreischte förmlich. Der Kugelhagel richtete Pohaku genauso zu, wie es eine Kettensäge getan hätte.
Und dann war es vorbei. Von uns dreien schien nur Akaku'akanene das, was gerade geschehen war, unbeeindruckt zu lassen. Sie bürstete sich über ihre bauschige Kleidung, als wolle sie ein störendes Stäubchen entfernen. Dann sah sie mich mit ihren dunklen, glitzernden Knopfaugen an und sagte leise: »Geh.«
Einen Drek werde ich, hätte ich fast gesagt. Dann sah ich die beiden Hütergeister, die uns die ganze Zeit umkreist hatten. Sie rauschten heran, fast so wie die Gans, die bereits wieder in den Schatten verschwunden war, welche sie ausgespien hatten. Akaku'akanene mußte in ihrer Aufregung ihren magischen Schild fallen gelassen haben. Instinktiv riß ich das Sturmgewehr wieder hoch, obwohl mir mein Verstand sagte, daß das sinnlos war.
Akaku'akanene hatte die Geister ebenfalls gesehen... und sie lächelte. Einer von ihnen schoß so nah an mir vorbei, daß ich seine Hitze spüren konnte. Der andere flog ebenso nah an Kono vorbei, die zurückzuckte und fast einen reflexhaften Schuß auf ihn abgegeben hätte. Beide ignorierten uns völlig, und fielen statt dessen über die bereits verstümmelte Leiche Pohakus her, um mit offensichtlicher Genugtuung den Vorgang der Zerstückelung fortzusetzen, den mein Feuerstoß eingeleitet hatte.
Während sich der Zeitablauf wieder normalisierte, klickte es in meinem Hinterkopf, und mir dämmerte die Erkenntnis. Okay, das war also der Grund dafür, warum uns die Hütergeister auch dann nicht in Ruhe gelassen hatten, als Akaku'akanene ihnen gesagt hatte, daß wir dem Tanz ein Ende bereiten wollten. Sie hatten gespürt, daß jemand in der Gruppe den Tanz schützen wollte -Pohaku, um genau zu sein. Vielleicht konnten die Geister nicht erkennen, wer von uns der Feind der Struktur war (vielleicht waren sie durch die Magiebarriere verwirrt worden, die die Messerklaue geschützt hatte). Oder vielleicht hatte der Widerspruch zwischen Aka-ku'akanenes
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