Haus der Sonne
Chance, auch weiterhin zu atmen - und was für eine kleine Chance es war -, in meinen eigenen Händen lag. Mit einem Knurren zwang ich mich auf Hände und Knie, dann in eine unsichere Hocke.
Der Tanz hatte seinen frenetischen Höhepunkt erreicht. Zwei der Tänzer lagen am Boden - ohnmächtig oder tot, konnte ich nicht sagen -, aber die anderen hampelten immer noch herum, als litten sie unter Zuckungen. Fünfzig Meter entfernt, im Mittelpunkt, hatte sich der Riß im Gefüge von... nun, von allem... noch weiter geöffnet. Ich spürte Kälte auf meinem Gesicht brennen. (Okay, ich weiß, daß Kälte nicht brennt.
Aber, Drek, genau das empfand ich...) Irgendwas füllte das Tor aus, wollte hindurchkommen. Irgendwas...
Ich zwang mich wegzusehen. Mein Gott.. . Mein Verstand konnte nicht begreifen, was meine Augen gesehen hatten... nicht richtig. Ich stand kurz vor dem schrecklichen Begreifen und hatte die unerschütterliche Überzeugung, daß ich in dem Augenblick, in dem ich tatsächlich begriff, unheilbar wahnsinnig werden würde.
Aber ich brauchte nicht zum Mittelpunkt zu schauen. Meine eigentlichen Ziele waren viel näher.
Ich legte mit der Granatwerfer-Pistole an und zielte sorgfältig. Der Kreis, der die Tänzer umgab, wurde von kleinen, aber kunstvoll aufgeschichteten Haufen aus weißen Steinen, geschnitzten Holzstatuen und Knochen geviertelt. Der nächste dieser Steinhaufen war weniger als dreißig Meter von mir entfernt. Ich korrigierte mein Ziel ein wenig und drückte ab.
Die Granate traf den Steinhaufen genau in der Mitte und explodierte. Diesmal kein Rauch. Das zweite Magazin, das ich mir geschnappt hatte, war mit Splittergranaten geladen. Ich hörte das fast sublime Flüstern der Splitter, die überall um mich herum durch die Luft pfiffen. Der Steinhaufen war bereits zu Drek zerborsten, aber was sollte es? Ich hatte noch fünf weitere Granaten, also schickte ich noch eine weitere hinterher.
Ich hatte eine Bresche in den Schutzkreis der Tänzer gesprengt. Irgendwie wußte ich das, ich konnte es spüren. Und sie wußten es auch. Sie verhielten in ihren Zuckungen und gafften - manche in meine Richtung, die meisten in Richtung des Tors, aber alle mit derselben Miene betäubten Entsetzens. Sie gafften.
Bis ich sie mit einem einzigen langen Feuerstoß aus meinem Sturmgewehr alle niedermähte. Sie fielen wie Kegel, sackten zusammen, während Blut und Gewebe spritzte. Ich lachte, ein Geräusch, das selbst für meine Ohren irrational klang. Nun, das war eine Möglichkeit, die Tänzer vom Tanz abzuhalten ...
Mein Job war noch nicht erledigt. Ich wandte mich dem Tor zu, wobei ich den Blick nicht auf den Riß im Gefüge von Raum und Zeit richtete, und verschoß die vier noch im Magazin verbliebenen Granaten. Wie zuvor zielte ich nicht auf das, was sich innerhalb des Schutzkreises befand, sondern auf den Kreis selbst. Die Minigranaten explodierten inmitten der weißen Steine, der geschnitzten und gefiederten Fetische, der Asche und des Mehls und schickten alles zur Hölle.
Irgendwas krachte gegen meinen Rücken und stieß mich zu Boden. Scharfkantiges Lavagestein schnitt mir Gesicht und Hände auf. Ich hob den Kopf, und das Blut lief mir bereits in die Augen und ließ meine Sicht verschwimmen.
Es war eines dieser großen Fels-Hunde-Dinger, das mich umgestoßen hatte. Es war nicht stehengeblieben, um mich zu beschnüffeln oder das Bein zu heben. Ein Dutzend oder mehr dieser Dinger flitzten dem Tor entgegen. Hatten sie sich zuvor noch mit der Geschwindigkeit eines Gletschers bewegt, so machten sie das jetzt mehr als wett. Gewaltige hüpfende Schritte überbrückten rasch die Entfernung.
Ihnen buchstäblich auf den Fersen folgte der wilde Tumult der Hütergeister, der bisher von der magischen Barriere der Tänzer abgehalten worden war. Wie ein heulendes, kreischendes Rudel verlorener Seelen fluteten sie über mich hinweg. Nicht dem Tor entgegen, das erkannte ich sehr rasch - vielmehr zu den Überresten der Kahunas, die ich niedergemäht hatte. Während die Hunde (oder worum es sich auch handelte) weiter zum Tor hasteten, fielen die Hütergeister über die Leichen und Beinahe-Leichen her und rissen sie in kleine blutige Fetzen, wobei sie mit gräßlicher Schadenfreude vor sich hin schnatterten und kreischten.
Die Hunde näherten sich dem Tor jetzt aus allen Richtungen. Zum erstenmal hörte ich das Geräusch, das sie verursachten - ein scheußliches, unnatürliches Kläffen, bei dem mir das Blut in den Adern gefror.
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