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Haus der Sonne

Haus der Sonne

Titel: Haus der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel Findley
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vertraute? Ich wußte es nicht. Als der erste Schuß neben meinem Ohr losgegangen war, waren die Empfindungen, die mich gelähmt hatten, nicht die Empfindungen des Augenblicks gewesen -falls das überhaupt einen Sinn ergibt. Sie waren mit dem Nachhall der Empfindungen jener längst vergangenen Momente beladen gewesen, als Freunde um mich herum gestorben waren und mein Arm zu Holzkohle verbrannt war. Irgendwie hatte ich mich davon nie wirklich erholt. Es war, als hätte ich in Fort Lewis viel mehr als meinen Arm verloren. Einen Teil meines Selbstverständnisses, einen Teil meiner Weltsicht, vielleicht... einen Teil meiner Seele? Dieser Verlust war es, der verhindert hatte, daß ich alles hinter mir ließ und weiter meinen Weg ging.
    Ich hätte die Dinge anders angehen können, wurde mir plötzlich klar. Was sagen die Leute immer, wenn man einen Sturz mit dem Motorrad hat? Steig sofort wieder auf das verdammte Ding, schwing dich wieder in den Sattel. Hatte ich mich nach meinem ›Sturz‹ wieder in den Sattel geschwungen? Kein Gedanke, Omae. Ich hatte Seattle verlassen und war in das beschaulichere Cheyenne geflohen. Und dort hatte ich mir einen Ruf als Meister der minimalen Bloßstellung aufgebaut. War ich wieder auf den Hobel gestiegen? Nein, Chummer, es war so, als sei ich davor weggelaufen und nie wieder auch nur in die Nähe von irgendwas gegangen, das schneller als Schrittempo fährt. Meine Entscheidung, und damals war sie mir vernünftig erschienen. Aber jetzt war ich aus meiner gemütlichen Null-Bloßstellung-Zone heraus, und ich würde für diese Entscheidung büßen.
    Ich ließ den Motor des C-N Buddy wieder an und fuhr weiter. Ich war immer noch viel zu nahe am Tatort. Ich mußte mich beeilen, mußte Entfernung zwischen mich und Tokudaijis Samurai legen. Außerdem mußte ich die Situation durchdenken und mich für die weitere Vorgehensweise entscheiden, aber ich konnte beim Nachdenken ebensogut fahren wie ins Leere starren.
    Zehn Minuten später war ich auf der Route 83, der Küstenstraße, die die Insel umrundet. Bei anderer Gelegenheit hätte ich die Aussicht genossen. Jetzt bemerkte ich sie kaum, so viel ging mir im Kopf herum.
    Was, zum Henker, war dort im Haus des Oyabun eigentlich abgegangen? In was, zum Teufel, war ich da nur hineingeraten?
    Offensichtlich in eine Verschwörung, den Oyabun zu geeken - das zu erraten war nicht weiter schwierig. Harnard hatte mich als eine Art Trojanisches Pferd benutzt, nicht wahr?. Mich benutzt, um durch Tokudaijis Abschirmung zu dringen, um den Yak-Boß herauszulocken, um Scott in seine Nähe zu bringen, so daß er ihn hatte umlegen können.
    Und mehr als das. Offensichtlich hatte Barnard - mit den Ressourcen Yamatetsus im Rücken - die magischen Voraussetzungen geschaffen, damit Scott, der Attentäter, seinen Job erledigen konnte. Den Illusionszauber, oder was es gewesen war, der es ihm ermöglicht hatte, einen verdammten Remington Roomsweeper durch die scharfen Kontrollen zu schleusen. Den Anti-Schild-Zauber, den er benutzt haben mußte, um die magische Barriere einzureißen, mit der sich ein wichtiger Mann wie der Oyabun selbstverständlich umgab. Das notwendige Mana hatte sich in einem Zauberfokus oder einem Fetisch befunden, zum Beispiel in dem dickbäuchigen kleinen Burschen auf Scottys Revers. Scott mußte seinerseits ein Magier oder Schamane gewesen sein - wahrscheinlich letzteres, vermutete ich, da er wohl in die Fußtapfen seiner Mutter getreten war -, um das Mana zu aktivieren (so verstand ich es jedenfalls), aber er selbst brauchte gar nicht so viel magischen Saft zu haben.
    Also war ich die Deckimg gewesen, die Tarnung, unter der der Attentäter nahe genug kam, um die Zielperson umzulegen. Okay, das konnte ich nachvollziehen.
    Aber warum hatte Scotty mich nicht auch weggepustet?
    Das war die Vierundsechzigtausend-Nuyen-Frage, nicht wahr? Drek, wenn er seine Karten richtig gespielt hätte, wäre er - vielleicht - sogar entkommen. Er legt Tokudaiji und seinen Adjutanten mit dem Roomsweeper um und putzt mich dann mit einer anderen Waffe weg. Dann behauptet er, ich sei der Attentäter und er zu langsam gewesen, um mich zu erledigen, bevor ich zum Schuß gekommen sei. Klar, vielleicht hätte es nicht geklappt. Klar, Tokudaijis Samurai hätten wahrscheinlich zuerst geschossen und dann die Leichen ausgefragt. Aber er hätte zumindest eine Chance gehabt, wenn auch eine dünne. Statt dessen hatte er sich mit einer Bauchbombe umgebracht. Warum hätte er es nicht

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