Haus der Sonne
Körper, der müde war, sondern vielmehr mein Geist, meine Seele. Schlaf ist eine Waffe - jemand (Argent vielleicht?) hatte mir das mal gesagt -, und ich kam zu dem Schluß, daß es an der Zeit war, sich dieser Waffe zu bedienen.
Die Sonne ging gerade über den Wolkenkratzern der Innenstadt von Honolulu auf - oder zumindest nahm ich das an. Das Fenster meiner Wohlbehagen-Suite im Ilima Joy blickte auf eine ekelhafte Gasse und die Rückseite einer weiteren heruntergekommen Absteige.
jetzt war es an der Zeit, die legalen Möglichkeiten in Erfahrung zu bringen, an den Ali'i heranzutreten... und sei es auch nur zu dem Zweck, sie auszuschließen. Ich hatte irgendwie im Hinterkopf, daß einige Monarchien -ich weiß nicht, wo ich das aufgeschnappt habe - der Bevölkerung immer erlaubt haben, sich direkt mit ihrem Herrscher in Verbindung zu setzen - ›Harold rufen‹ oder wie, zum Teufel, der Fachausdruck hieß. Wer weiß, vielleicht gab es bei König Kamehameha V. eine ähnliche Sitte. Ich schaltete das Telekom ein und blätterte durch das Inhaltsverzeichnis.
Ich brauchte nicht lange, um die Nummer des Informationsschalters im Iolani-Palast zu finden. Ich wählte die Nummer und mußte mir dann eine Bandaufzeichnung anhören, die mir Anfangszeiten von Besichtigungen und anderen, ähnlich nutzlosen Drek nannte. Erst als die Durchsage beendet war, hatte ich die Möglichkeit, mit einer Person aus Fleisch und Blut aus der Information zu reden.
Tja, was soll ich Ihnen sagen - es gab tatsächlich eine einfache Prozedur, wie Bürger des Königreichs von Hawai'i eine Audienz bei ihrem Ali'i bekommen konnten. Das sagte mir jedenfalls der plastikgesichtige Mann von der Information durch sein Modepuppen-Lächeln hindurch. Ich brauche lediglich meinen Namen und meine SIN zu nennen und einen Termin zu vereinbaren. Auf dem Terminplan des Königs sei sogar noch eine freie Stelle... im Frühjahr '57. Falls ich diesen Termin wahrnehmen wolle, brauchte ich nur alle Vorbereitungen für die notwendigen Sicherheits- und Hintergrund-Überprüfungen zu treffen... natürlich legte ich auf.
Was nun? Fast eine Stunde lang zermarterte ich mir das Gehirn. Drek, wenn das hier Seattle gewesen wäre, hätte ich mit ziemlicher Sicherheit ein Treffen mit Gouverneur Schultz vereinbaren können. Aber das hätte einen ganzen Haufen Schattenkontakte und Hilfsquellen erfordert, über die ich hier auf den Inseln einfach nicht verfügte. Zurück zum Inhaltsverzeichnis, und diesmal schlug ich die Nummer des Verwaltungsbüros des Iolani-Palasts nach. Wiederum wählte ich die Nummer.
Mit demselben Ergebnis. Ein höflicher Funktionär verriet mir, daß es selbstverständlich möglich sei, dem Ali'i eine Nachricht zu übermitteln. Ich brauchte lediglich Name und SIN zu nennen, alle Vorbereitungen für die notwendige Hintergrund Überprüfung zu treffen... natürlich legte ich auf.
Der alte geistige Brunnen schien langsam auszutrocknen. Einer abwegigen Eingebung folgend, rief ich sogar die Einträge unter dem Namen ›Ho‹ auf. Als sich der erste von sieben Bildschirmen mit Namen und LTG-Nummern füllte, war ich der Verzweiflung nah. Natürlich legte ich auf.
Ich brauchte eine Pause, ich brauchte irgendwas, um meine Synapsen auf Trab zu bringen. Wenn ich wirklich strenge Sicherheitsmaßstäbe anlegen wollte, durfte ich das verdammte Zimmer nie verlassen, aber das würde einfach nicht klappen. Ich brauchte etwas zu essen, und - was noch wichtiger war - ich brauchte Kaffee. (Zufällig war das eine Sache, die mir hier wirklich gut gefiel. Niemand schien von Soykaf auch nur gehört zu haben. Sogar in Cafés wurde echter Kaffee serviert. Wohltat über Wohltat.) Also schlenderte ich nach unten und in das rattenverseuchte Café neben dem Ilima Joy.
Und hätte fast einen Herzinfarkt erlitten, als ich ein Gesicht entdeckte, das ich kannte. Drüben in der hintersten Ecke an einem Tisch vor einer Tasse Kaffee, müßig das Kommen und Gehen der Gäste beobachtend. Es war dieselbe kleine vogelbeinige Frau, die ich im ›Cheese-burger im Paradies‹ gesehen hatte. Ihre Augen ruhten auf meinen, als ich hineinging, und mir wäre fast ein kindisches Mißgeschick passiert. Es dauerte einen Augenblick, bis ich mich wieder beruhigt hatte. Zufall, um Himmels willen, sagte ich mir eindringlich. Es mußte Zufall sein. Das hier war schließlich ein freies Land, oder? Kleine vogelbeinige Frauen konnten ihren Kaffee trinken, wo sie wollten. Gut, sie schien meinem Gesicht ein
Weitere Kostenlose Bücher