Haus der Sünde
es ihm nur um ihr Wohlergehen ging.
Und zwar nicht nur um ihr sexuelles Wohlergehen. Er schien sich auch um ihre finanzielle Lage Gedanken zu machen.
Du nimmst also an, dass du mich mit deinen Schmeicheleien und schleimigen Komplimenten benebeln kannst, Tristan, fragte sie innerlich den hoffnungsvollen Anwärter auf den ersten Preis des besten Schwaflers Großbritanniens, der ihr gegenüber saß. Du und Richard, ihr meint wohl, dass ich nicht gerade ein Supergenie bin, wenn es um Geld geht, und ihr alles in einer verwirrend komplexen Jahresbilanz unterbringen könnt, ohne dass ich es merke.
Da habt ihr euch aber gründlich geirrt!
Sie warf Tristan ein freundliches Ich-genieße-die-Zeit-mitdir-wirklich-Lächeln
zu, um ihn im Unklaren über ihre wahren Beweggründe zu lassen, und dachte an die denkwürdige Entdeckung an diesem Vormittag. Sie hatten nämlich festgestellt, dass Pauls Fähigkeit – Zahlen betreffend – wirklich außergewöhnlich war.
»Das ist ziemlich schwierig für mich, glaube ich«, hatte ihr Lover nachdenklich gesagt, als er die Dokumente, die Melody dem Büro ihres Mannes entnommen hatte, studierte. Sie hatten mit Hilfe von Geralds inzwischen selten benutztem Computer von den wichtigsten CD-Roms Kopien angefertigt. »Ich habe das Gefühl, als seien finanzielle Berechnungen eigentlich nicht meine Stärke.«
Trotzdem arbeitete Paul schweigend und mit einer unglaublichen Geschwindigkeit, wobei er nur einen Notizblock, einen Bleistift und sein Gehirn benutzte. Währenddessen kämpften Melody und sie mit den Daten auf dem Bildschirm und fanden es im Grunde unmöglich, diese zu entziffern – von einem geschickt untergeschobenen Fehler einmal ganz zu schweigen.
Von Zeit zu Zeit hatte Claudia während ihrer Bemühungen zu Paul hingesehen und war von seiner völligen Konzentration auf das, was er gerade tat, fasziniert gewesen. Noch nie zuvor hatte sie ein Gesicht gesehen, das so ruhig und nach innen gerichtet wirkte. Er schien sogar gelassener zu sein, während er über den Finanzen ihres verstorbenen Mannes – und nun also den ihren – saß, als er das jemals zuvor gewesen war. Seine Miene zeigte einen entspannten Ausdruck, der fast an seine Stimmung nach einem Orgasmus erinnerte und auf Claudia besonders verführerisch wirkte.
War er vielleicht einer jener Männer, der in seinem Kopf komplizierte Rechnungen anstellte, um nicht zu früh zu kommen, dachte sie fröhlich. Die Vorstellung, dass dieser intelligente Kopf auf einem hohen, nicht leicht durchschaubaren Niveau arbeitete, während der Körper, der dazu gehörte, in sexueller
Ekstase zuckte und pumpte, besaß für sie einen gewissen, nicht zu leugnenden Reiz.
Gerade als sie darüber nachdachte, sah Paul plötzlich auf und lächelte sie wissend an. Hatte er ihre Gedanken lesen können, wie schon so oft? Diesmal schien es nicht der Fall zu sein.
»Ich habe etwas gefunden«, sagte er und blätterte ein paar Seiten auf seinem Block zurück. »Sogar Mehreres.«
»Hier. Hier und hier«, meinte er, als er zu Claudia und Melody an den Bildschirm getreten war, und wies dabei auf einige Punkte hin, die für die beiden nicht zu erkennen gewesen waren.
Claudia stellte jetzt, als sie wieder in die Gegenwart und zu einem ziemlich angespannt aussehenden Tristan zurückkehrte, fest, dass sie nicht wirklich verstanden hatte, was eigentlich gemacht worden war und wie man so hatte vorgehen können. Aber Paul hatte ihr versprochen, die absichtlichen Fehler so zu dokumentieren, dass man sie einem unabhängigen Bilanzprüfer vorlegen konnte. Sie hatte ein As im Ärmel, das sie jederzeit ziehen konnte, falls es nötig sein sollte. Das Wenigste, was geschehen würde, wäre der Ruin von Richard Truebridges und Tristan Van Dissells geschäftlichem Ruf. Und falls sie noch weiter gehen würde, könnten die beiden sogar mit ernsthaften Anklagen vor Gericht rechnen.
»Was die möglichen neuen Akquisen betrifft«, begann Tristan und brachte Claudia mit seiner aufgesetzten Ernsthaftigkeit zum Grinsen. Es war wirklich toll, wie wenig er von seinem bevorstehenden Untergang ahnte! Oder von der Macht, die sie schon bald über ihn haben würde, sollte sie sich entscheiden, ihm eine zweite Chance zu geben. Von den beiden Männern war ganz eindeutig Richard Truebridge der gefährlichere. Sie wusste instinktiv, dass Tristan nur auf die falsche Bahn gebracht worden war, ohne wirklich aktiv daran beteiligt gewesen zu sein.
»Reden wir doch heute Abend nicht über
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