Haus der Sünde
merkwürdig stumm geworden. Einfach ihn so zu halten, das war das, wonach sie sich am meisten sehnte.
»Claudia«, flüsterte er schließlich. Sie löste sich aus seiner Umarmung und schaute zu ihm auf. Er bot das Bild eines Mannes, der befriedigt und doch verwirrt war. »Ich … ich möchte etwas tun … für dich«, sagte er. Sein Verhalten wirkte unerwartet entschlossen, als er vage in die Richtung ihres Schoßes nickte, ihrer Weiblichkeit.
»Dafür haben wir jetzt keine Zeit, und es ist auch gar nicht nötig«, antwortete sie sanft. Sie stand auf und blieb vor ihm stehen, wohl wissend, dass sie in dem langen, eng anliegenden Prinzessinnenunterrock, der ihr rasch zusammengestelltes Kostüm auspolstern sollte, fantastisch aussah. Später wollte sie das Kleid, das ebenfalls aus der Zeit Edwards VII. stammte und von einer Bekannten Beatrices zur Verfügung gestellt worden war, anziehen. Doch vorläufig glänzte sie in dem schneeweißen Unterrock und dem tief ausgeschnittenen Korsett, die beide mit vielen Spitzen geschmückt waren. Es sah so hübsch aus, dass sie beinahe versucht war, ohne das Kleid auf die Party zu
gehen. Nur die Tatsache, dass der Stoff durchsichtig war, hielt sie davon ab. Im Grunde enthüllte er mehr, als er verbarg.
»Ich werde später noch auf meine Kosten kommen«, sagte sie und strich sich vorsichtig durch die Haare, um sie wieder in Ordnung zu bringen.
»Aber ich will sehen, wie du kommst«, entgegnete er mit einer beinahe trotzig klingenden Stimme. Er erhob sich, ohne darauf zu achten, dass sein Morgenmantel offen stand und sein wippender Penis zu sehen war, und drückte Claudia an sich. Diese versuchte noch kurz, sich zu wehren, doch es war sinnlos. Seine Hände waren überall zur gleichen Zeit, erkundeten ihren Körper und fassten nach ihren Gliedmaßen, als ob sie eine Puppe wäre. Erst ein leises Klopfen an der Zimmertür brachte ihn dazu, seine erregenden Berührungen auf später zu verschieben.
»Komm nur herein, Mel!«, rief Claudia und riss sich von ihm los.
Ehe ihre Freundin das Zimmer betrat, flüsterte sie ihm hastig zu: »Die Nacht ist noch jung!«
Kapitel 16
Maskenball
»Bist du bereit?«, erkundigte sich Claudia, als der Wagen stehen blieb.
»Ja, mehr oder weniger«, antwortete Paul, dessen schmales Gesicht etwas gespenstisch wirkte. Er warf einen Blick durch das dunkle Glas des Autofensters. Seine Miene verriet, wie angespannt und nervös er war. Der stürmische Liebhaber, den er noch vor einer Stunde verkörpert hatte, war nun verschwunden.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte Claudia, als der Chauffeur die Tür für sie öffnete und ihr aus dem Bentley half, den Beatrice extra für sie hatte kommen lassen. »Wir werden nicht allzu lange bleiben. Und denk daran, wir sind maskiert. Du hast also immer die Möglichkeit, dich einfach zu verstecken, falls du das brauchen solltest.«
»Du hast Recht«, stimmte Paul zu, während er nach ihr aus dem Wagen stieg. Als sie sich ihm zuwandte, strich er gerade seinen Gehrock glatt und zog dann nervös an seiner Weste. Seine Gesten erinnerten sie daran, wie hinreißend er in diesem Ensemble ausgesehen hatte, als sie ihn das erste Mal erblicken durfte. Der umwerfende, prächtig geschnittene schwarze Gehrock aus Samt war aus der Reinigung wie neu zurückgekommen. Das weiße Hemd und das schwere Seidentuch, das um seinen Hals geschlungen war, brachten sein Gesicht, das aus einem anderen Zeitalter zu stammen schien, vorzüglich zur Geltung. Noch mehr als vor einigen Tagen bot er nun das Bild eines echten Dandys, denn inzwischen war sein Selbstbewusstsein
zumindest zum Teil zu ihm zurückgekehrt. Vielleicht würde es ihm heute sogar mit etwas Glück gelingen, sich wieder an sich selbst zu erinnern.
»Ich bin wirklich ein Idiot«, fuhr er voller Selbstverachtung fort. »Eigentlich sollte ich meinem Schicksal danken, an einem so vollkommenen Sommerabend mit einer so wunderbaren Frau wie dir ausgehen zu dürfen.« Er wies mit der Hand auf das Himmelszelt, das gerade azurblau leuchtete. Ohne Vorwarnung zog er sie an sich und küsste sie auf ihr tief ausgeschnittenes Dekolletee. Ihre Brüste wurden durch das enge, mit Perlen besetzte Oberteil üppig nach oben gedrückt. Claudia war von seiner Geste so überrascht, dass sie das Abendtäschchen und den Fächer, die Beatrice ebenfalls zur Verfügung gestellt hatte, fallen ließ.
»Du siehst fabelhaft aus«, flüsterte Paul leidenschaftlich gegen ihr Dekolletee. »Jetzt will ich dich noch mehr
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