Haus der Sünde
Gerald Christopher Marwood. Geliebter Ehemann und Freund. Ruhe in Frieden.
Ich liebe dich nicht weniger, teilte sie ihm mit und fühlte sich auf einmal besser. Sie hatte das Gefühl, das Gesicht und auch das Lächeln vor sich zu sehen, das sie so sehr vermisste. Geralds ermutigendes, verschmitztes Grinsen, das vor ihr aufgetaucht
war, als sie zum ersten Mal mit Paul geschlafen hatte. Eine winzige, kühle Brise, die Vorankündigung der Nacht, ließ sie erbeben, doch in ihrem Inneren fühlte sie sich erwärmt und beruhigt.
»Alles in Ordnung?«, fragte Paul, der nur wenige Zentimeter hinter ihr stand. Sie spürte, wie er einen Augenblick lang zögerte, doch dann fühlte sie seinen starken Arm, wie er sich um ihre Taille legte.
»Ja, alles in Ordnung«, erwiderte sie und lehnte sich gegen ihn, um ihm mit ihrem Körper zu zeigen, was sie meinte. »Ich glaube, dass er mit dir einverstanden gewesen wäre. Er mochte Abenteuer. Er war mir während unserer Ehe treu, dessen bin ich mir sicher. Aber bevor wir uns kennen lernten, hat er eine ziemlich wilde Zeit verbracht. Manchmal erzählte er mir davon …« Sie hielt inne und sah zu Paul hoch, wobei sie ihn ein wenig frech anfunkelte. »Und ich bin überzeugt, dass er und Beatrice Quine einmal eine Affäre hatten.«
»Und jetzt ist sie hinter dir her«, erklärte Paul lächelnd.
»Wenn du das meinst«, erwiderte Claudia, die sich allerdings ziemlich sicher war, dass er Recht hatte.
»Ja, das meine ich«, antwortete er voll männlichen Selbstbewusstseins. »Ich habe euch beide ja nur kurz zusammen gesehen, aber es war sehr offensichtlich, dass sie ganz verrückt nach dir ist.«
»Du spinnst doch!«, entgegnete sie lachend.
»Nein, ich spinne nicht«, gab er zurück und lächelte sie an. »Vielleicht bin ich gerade etwas durch den Wind. Aber ich besitze noch meine Beobachtungsgabe, und die sagt mir, dass es stimmt. Vor allem meine sexuelle Beobachtungsgabe ist momentan sehr ausgeprägt.« Er zog sie näher an sich heran, wobei er darauf Acht gab, dass seine Genitalien sie noch nicht berührten. Claudia vermutete, dass er sich hier am Grab Zurückhaltung auferlegte.
Sollte ich so etwas wirklich an diesem Ort empfinden, fragte sie sich selbst und unterdrückte das immer stärker werdende Bedürfnis, ihn an seiner Ausbeulung zu berühren. Sie empfand zwar keine Schuld, hatte aber das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun. Es war eine altmodische Empfindung, die Gerald bestimmt drollig gefunden hätte.
»Sollen wir nach Hause fahren?«, schlug sie vor und drängte sich gegen ihn, wobei sie seine größer werdende Erektion nun deutlich spüren konnte.
»Das könnten wir«, entgegnete er mit einer sanften, seidenweichen Stimme. »Aber wenn Gerald etwas für Abenteuer übrig hatte, dann hätte er sicher nichts dagegen gehabt, dass du auch viele davon erlebst?«
»Doch nicht hier – oder?«, keuchte Claudia, die halb entsetzt und halb in Versuchung war. Sie war sich der seltsamen, beinahe alchemistischen Verbindung zwischen der Anwesenheit des Todes und einem Bedürfnis nach Sex äußerst stark bewusst. Aber sie konnte sich nicht dazu überwinden, diesem Verlangen, das ihr wie ein Sakrileg vorkam, wie ein Teenager nachzukommen. Ein Teil von ihr wollte es zwar, doch der überwiegende Teil wusste, dass sie für so etwas wirklich zu alt war, und obwohl sich auf dem Friedhof niemand zeigte, war es doch noch immer ziemlich hell – und jederzeit hätte jemand aus dem Dorf kommen können.
Als hätte Paul ihre Überlegungen mit angehört, wies er auf ein kleines Tor, das am anderen Ende des Friedhofs in die Steinmauer eingelassen war. »Wohin führt das?«
»Zu einigen Feldern, einem Wäldchen und dem Fluss«, erwiderte sie und spürte, wie sich die Spannung der Begierde in ihr auftürmte.
»Zu demselben Fluss, der unten an deinem Garten vorbeiführt?«
»Ja, dem Little Ber.«
»Dann machen wir doch einen Spaziergang«, sagte er, nahm sie an der Hand und zog sie mit sich. »Es ist ein herrlicher Abend, und es wäre eine Schande, ihn zu verschwenden.«
»Ich dachte, du wärst nicht verrückt?«, entgegnete Claudia lachend, als sie durch das kleine Tor traten und auf einem schmalen, staubigen Pfad standen. Sowohl ihre zierlichen Sandalen als auch Pauls helle Schuhe waren im Handumdrehen schmutzig. Statt zu antworten zog Paul sie hinter einen Baum und küsste sie. Seine Hände wanderten begierig über ihren Körper, obwohl sie jederzeit noch hätten gesehen werden können. Claudia
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