Haus der Vampire 01 - Verfolgt bis aufs Blut-ok
Couch neben Michaels Gitarrenkoffer saß und sich irgendwie seltsam fühlte. Seltsam schlecht, als hätte sich ihr Gehirn verflüssigt und würde nun in ihrem Kopf herumschwappen.
Aber auch seltsam ruhig. Sie griff hinüber und berührte die Lederhülle seines Gitarrenkoffers. Er fühlte sich echt an. Als sie die Schnappverschlüsse öffnete und ihre zitternden Finger über die Saiten streichen ließ, gaben sie ein wehmütiges Wispern von sich.
Er ist ein Geist. Michael ist ein Geist.
Er war kein Geist. Wie konnte er ein Geist sein, wo er doch hier - genau hier! - am Tisch gesessen und zu Abend gegessen hatte? Tacos! Welcher Geist aß Tacos? Was für ein...?
Ihre Hand war direkt durch ihn hindurchgegangen. Direkt durch ihn hindurch .
Aber er existierte. Sie hatte ihn berührt. Sie hatte...
Ihre Hand war direkt durch ihn hindurchgegangen.
»Keine Panik«, sagte sie laut. »Jetzt nur... keine Panik. Es gibt eine Erklärung dafür...« Ja genau.
Sie würde in Professor Wus Physikstunde hinüberstolpern und fragen. Sie konnte sich schon vorstellen, wie das ablaufen würde. Sie würden ein Netz über sie werfen und sie mit Antidepressiva oder sonst was vollpumpen.
Er hatte gesagt Oh Gott, sag es ihnen nicht. Wem sagen? War er von ihnen gegangen? War er tot?
Wieder wurde sie von Panik übermannt, aber dann verflog sie mit einem Mal. Durch etwas ziemlich Banales eigentlich: Den Wecker auf dem Tisch neben der Couch. Der, der einige Minuten zuvor losgeklingelt hatte. Der, der Michael vorgewarnt hatte, dass der Sonnenaufgang nahte.
Das passierte... jeden Tag! Er hatte sich nicht so verhalten, als sei es komisch, sondern nur, als sei es schmerzhaft.
Shane und Eve hatten beide gesagt, dass Michael tagsüber schläft. Sie waren beide Nachtschwärmer; im Moment schliefen sie tief und fest und würden erst in ein paar Stunden aufstehen. Michael konnte täglich auf diese Weise... verschwinden, ohne dass es jemand mitbekam.
Bis sie kam und ihre Nase in alles hineinsteckte.
Sag es ihnen nicht. Warum nicht? Was war das Geheimnis?
Sie war verrückt. Das war die einzig vernünftige Erklärung. Aber wenn sie verrückt war, war sie ja nicht vernünftig...
Claire rollte sich auf dem Sofa zusammen, sie zitterte und fühlte wieder einen kalten Lufthauch über sie hinwegstreichen. Eiskalt. Sie setzte sich auf. »Michael«, sprudelte es aus ihr heraus und sie saß ganz still. Die Kälte verschwand und strich dann wieder über sie hinweg. »Ich... ich glaube, ich kann dich fühlen. Bist du noch da?« Eine oder zwei Sekunden vergingen ohne den eisigen Luftzug, dann streifte er wieder ihre Haut. »Du kannst uns also sehen?« Ja, schätzte sie, da sich der Warm-Kalt-Wechsel wiederholte. »Du gehst tagsüber nicht weg? Oh... hm, bleib, wo du bist, wenn du Nein meinst, okay?« Die Kälte blieb. »Wow. Das ist krass.« Ein Ja , und komischerweise munterte sie das etwas auf. Na gut, sie führte gerade ein Gespräch mit einem Lufthauch, aber wenigstens fühlte sie sich nicht einsam. »Du möchtest nicht, dass ich Shane und Eve davon erzähle?« Ein klares Nein. Vielleicht war es sogar noch etwas kälter geworden. »Gibt es etwas... irgendetwas, das ich tun kann?« Ebenfalls nein. »Michael, kommst du wieder?« Ja. »Heute Abend?« Nochmals ja.«Wir werden so viel zu besprechen haben.« Die Kälte zog vollständig ab. Ja.
Sie ließ sich auf der Couch nach hinten sinken, ihr war schwindelig und sie fühlte sich merkwürdig und erschöpft. Eine schäbige alte Decke lag neben dem Gitarrenkoffer; sie schob das Instrument hinüber zum Tisch (und stellte sich einen unsichtbaren Michael vor, der ihr ängstlich dabei zusah), wickelte sich in die Decke und ließ sich begleitet vom Soundtrack der Großvateruhr und den Erinnerungen an Michaels Gitarre in den Schlaf sinken.
***
Am nächsten Tag ging Claire zum Unterricht. Eve stritt mit ihr; Shane nicht. Es passierte nichts Besonderes, obwohl Claire Monica zweimal auf dem Campus sah. Monica war von Fans - männlichen wie weiblichen - umgeben und hatte keine Zeit zu grollen. Claire hielt den Kopf gesenkt und mied einsame Ecken. Es war früher Nachmittag - keine Laborstunden - und obwohl sie am liebsten nach Hause gegangen wäre, um zu warten, bis Michael auftauchte (und sie brannte wirklich darauf, das zu sehen!), wusste sie, dass sie sich dadurch selbst verrückt und Shane misstrauisch machen würde.
Als sie grob die Richtung einschlug, entdeckte sie ein kleines Café, das zwischen dem
Weitere Kostenlose Bücher