Haus der Vampire 02 - Der letzte Kuss-ok
dann gab es vielleicht gar nichts zu gewinnen.
Eve fuhr herum und gab Oliver eine Ohrfeige. Ein harter Schlag mit der Handfläche, der wie ein Gewehrschuss von dem vielen Marmor im Raum widerhallte. Alle schnappten nach Luft. »Du Mistkerl!«, fauchte sie. »Lass Shane gehen! Er hat nichts damit zu tun!«
»Ach wirklich.« Eine schlichte Aussage, nicht einmal eine richtige Frage. Anders als ein menschliches Gesicht zeigte Olivers kein Zeichen eines Handabdrucks von dem Schlag, der definitiv heftig genug ausgefallen war. Er sah nicht einmal so aus, als hätte er ihn überhaupt gespürt. »Setz dich, Eve, dann erzähle ich dir die wahre Geschichte deines ziemlich jämmerlichen Lebens.«
Sie setzte sich nicht. Oliver legte ihr die flache Hand auf die Brust, direkt unter dem Schlüsselbein, und schubste sie. Eve fiel auf einen Stuhl und starrte ihn an.
»Detective Hess«, sagte Oliver. »Ich würde vorschlagen, Sie erklären meiner lieben Exangestellten genau, was sie riskiert, wenn sie mich das nächste Mal im Zorn anrührt. Oder, wo wir gerade dabei sind, überhaupt anrührt.«
Hess bewegte sich schon. Er saß auf dem Stuhl neben Eve und beugte sich zu ihr hinüber. Er flüsterte ihr etwas zu, eindringliche Worte, die Claire nicht verstehen konnte. Eve schüttelte heftig den Kopf. Schweiß lief in einem Rinnsal von ihren zerzausten Haaren seitlich an ihrem Gesicht herunter und hinterließ eine fleischfarbene Spur in ihrem weißen Make-up.
»Nun«, fuhr Oliver fort, als Hess fertig war. Eve saß still da. »Wir sind, was Technik angeht, schließlich keine Volltrottel, Eve. Und wir besitzen die Telefonanbieter hier in der Gegend, vor allem die Handyanbieter. Shane wählte von euch zu Hause eine Nummer, die, wie wir zu unserer großen Überraschung herausfanden, zu einem Gerät gehörte, das bei seinem Freund Mr Wallace lokalisiert wurde.« Oliver deutete auf den Biker. »GPS ist übrigens eine fabelhafte Erfindung. Wir sind sehr dankbar dafür, dass die Menschheit so viel harte Arbeit da reinsteckt, ihre eigene Spur verfolgbar zu machen. Deshalb ist es viel leichter als früher, Menschen aufzustöbern.«
»Shane hat nichts getan«, sagte Claire. »Bitte, Sie müssen ihn gehen lassen.«
»Shane wurde am Tatort angetroffen«, sagte Oliver. »Mit Brandons Leiche. Und ich glaube, wir können kaum sagen, dass er nicht darin verwickelt war, wenn er gut genug mit Mr Wallace befreundet ist, um mit ihm zu telefonieren.«
»Nein, er hat nicht...!«
Oliver gab ihr eine Ohrfeige. Sie war nicht darauf gefasst gewesen, sie fühlte nur den Schlag und sah einen Augenblick lang Rot. Ihr ganzer Körper bebte vor Verlangen zurückzuschlagen und sie fühlte den brennenden Abdruck seiner Hand wie ein Brandzeichen auf ihrer Wange.
»Siehst du, Eve?«, sagte Oliver. »Auge um Auge. Natürlich ist meine Auslegung der Heiligen Schrift ein wenig frei.«
Shane brüllte durch seinen Knebel und er wehrte sich jetzt auch, aber die Vampire hielten ihn auf den Knien unten, ohne dabei auch nur ins Schwitzen zu geraten. Eves Augen waren riesig und dunkel und Hess hielt sie auf ihrem Stuhl fest, bevor sie auf Oliver losgehen konnte.
Nicht, dachte Claire eindringlich. Denn ihre Freunde hatten Oliver nun genau das verraten, was er wissen wollte: Dass sie etwas preisgeben würden, wenn er Claire verletzte.
»Oliver«, sagte Amelie. Ihre Stimme war leise und sehr sanft. »Gibt es noch eine Frage, die du den Kindern stellen möchtest? Oder frönst du gerade nur deinen Leidenschaften? Du sagst, du weißt ohnehin, dass der Junge diesen Mann angerufen hat. Was brauchst du mehr an Informationen?«
»Ich möchte wissen, wo sein Vater ist«, sagte Oliver. »Einer von ihnen weiß es.«
»Die Mädchen?« Amelie schüttelte den Kopf. »Es scheint unwahrscheinlich, dass jemand wie Mr Collins einem von ihnen vertraut.«
»Dann weiß es der Junge.«
»Möglich.« Sie tippte sich mit einem ihrer blassen Finger an die Lippen. »Dennoch bezweifle ich irgendwie, dass er es dir verraten wird. Und ich glaube, es gibt keinen Anlass für Grausamkeit, um die Wahrheit herauszufinden.«
»Das heißt?« Oliver wandte sich ihr vollständig zu und verschränkte die Arme.
»Das heißt, dass er von selbst zu uns kommen wird, Oliver, und das weißt du ganz genau. Um den Jungen vor den Konsequenzen seines Handelns zu retten.«
»Du entziehst also dem Jungen deinen Schutz?«
Amelie schaute auf den Leichnam auf dem Tisch hinunter. Nach einem Augenblick der Stille erhob
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