Haus der Vampire 02 - Der letzte Kuss-ok
erstaunlich zurückhaltend für Eve. Wenn es jemanden gab, der schockiert und zornig darüber war, dass sich Oliver als Vampir entpuppt hatte, dann war es Eve.
Oliver nickte und ging durch den riesigen leeren Raum – leer bis auf den leise eingestellten Fernseher und den vornehmen dicken braunen Teppichen – und öffnete eine Doppeltür. Er war wohl nicht der Türsteher; er ging geradeaus in den nächsten Raum. Gretchen schob Claire und Eve vorwärts. Der Boden unter Claires Füßen war schwammig weich und sie roch den Duft verwelkender Blumen. Rosen. Vielen Rosen.
Der Duft traf sie mit Wucht, als sie den nächsten Raum betraten, der groß und rund war und der überall mit burgunderroten Samtvorhängen ausgestattet war, zwischen denen sich Säulen befanden. Ein unaufdringlicher Kronleuchter verbreitete gedämpftes Licht. Hier lag der gleiche Teppich wie im Eingangsbereich, aber in diesem Raum standen Möbel – Stühle, die ordentlich in drei Abschnitten aufgereiht waren, dazwischen Gänge.
Claire brauchte einen Augenblick, bis ihr bewusst wurde, dass sie in eine Leichenhalle gingen. Als sie es bemerkte, hielt sie an und stolperte, als Gretchen sie unerbittlich weiterzerrte, vorbei an den Reihen leerer Klappstühle, bis ganz nach vorne, wo Oliver in der Nähe eines weiteren Samtvorhangs stand.
»Sir«, sagte Joe Hess, als er hinter Claire und Eve hervortrat. »Ich bin Detective Hess.«
Oliver nickte. »Ich kenne Sie.«
»Sollten hierbei nicht noch andere anwesend sein?« Die Anspannung in Hess’ Stimme und in seinem Körper verrieten Claire, dass es eine schlimme Sache werden würde, wenn Oliver sie allein befragte.
»Es sind noch andere anwesend, Detective Hess«, sagte eine helle, kühle Stimme aus der anderen Ecke des Raumes, die, so hätte Claire schwören können, noch eine Sekunde zuvor leer gewesen war. Sie keuchte und schaute sich um. Dort stand Amelie, als wäre sie in Stein gemeißelt und das Gebäude wäre um sie herum errichtet worden. Und ihre Bodyguards – oder Diener – bildeten nicht weit von ihr entfernt ein Grüppchen. Sie hatte vier mitgebracht. Claire fragte sich, ob man das als Zeichen dafür werten konnte, wie groß die Schwierigkeiten waren, in denen Eve und sie steckten.
»Ein Dritter kommt noch«, sagte Amelie und nahm auf einem Stuhl Platz, als wäre er ein goldener Thron. Sie trug Schwarz, wie Oliver, aber ihre Kleidung bestand aus einem langen, eleganten Wildlederkostüm mit einer strengen weißen Bluse unter der maßgeschneiderten Jacke. Sie schlug ihre Beine übereinander, die weiß und vollkommen waren, und faltete die Hände im Schoß.
Oliver sah nicht glücklich aus. »Wen erwarten wir noch?«, fragte er.
»Du kennst die Gesetze, Oliver, auch wenn du Wege zu finden pflegst, sie zu umgehen«, sagte Amelie. »Wir warten auf Mr Morrell.«
Sie mussten nicht lange warten; weniger als eine Minute später hörte Claire Stimmen aus dem Vorraum und das Klirren von Schlüsseln. Sie hatte den Mann, der hereinkam und von zwei uniformierten Cops flankiert wurde, noch nie gesehen, aber sie kannte einen der Cops: Richard Morrell, Monicas Bruder. Also war der beleibte Mann mit beginnender Glatze und dem selbstzufriedenen Gesichtsaudruck wahrscheinlich ihr Dad.
Der Bürgermeister von Morganville.
Er hatte ebenfalls einen Anzug an, blau, mit Nadelstreifen und breiten Aufschlägen. Damit sah er irgendwie wie ein Zuhälter aus und die Hose war auch ein wenig zu lang. Er hatte zu viele goldene Ringe an den Fingern und er lächelte.
»Oliver«, sagte er fröhlich. Das Lächeln verschwand rasch, als er Amelie entdeckte, die mit ihrer Eskorte ruhig etwas abseits saß. Sein Gesicht wurde um einiges... respektvoller. »Gründerin.«
»Bürgermeister.« Sie nickte ihm zu. »Gut. Wir können anfangen.«
Gretchen ließ Claires Arm los. Sie zuckte zusammen, als das Blut wieder in ihre kribbelnde Hand schoss, und sie rieb die Stelle, an der Gretchen sie gepackt hatte. Ja, das würde einen Bluterguss geben. Ganz bestimmt. Sie riskierte einen Blick zu Eve, die dasselbe tat. Eve sah vollkommen verängstigt aus.
Oliver streckte die Hand aus und zog an einer versteckten Schnur; der burgunderfarbene Samtvorhang hinter ihm öffnete sich.
Auf der Marmorplatte lag eine Leiche, umgeben von üppigen roten Rosen, ganzen Bündeln davon, die in Bodenvasen standen. Die Leiche sah bläulich weiß aus, gummiartig und absolut, schrecklich tot . Claire fühlte, wie sich eine Wolke über sie legte, hörte ein
Weitere Kostenlose Bücher