Haus der Vampire 03 - Rendezvous mit einem Unbekannten-ok
und kam sich deswegen blöd vor, aber so saß man einfach nicht in Amelies Gegenwart. Amelie bedachte ihre Höflichkeit mit einem würdevollen Nicken, rührte sich jedoch ansonsten nicht.
»Bitte entschuldige diesen Überraschungsbesuch, Claire, aber ich musste mit dir unter vier Augen sprechen«, sagte sie.
»Wie kommen Sie hier herein? Ich meine, das ist unser Haus; ist Vampiren nicht...«
»... der Zutritt verboten? Das gilt nicht für das Zuhause eines anderen Vampirs, und obgleich ihr alle menschlich seid, gehört das Haus letztendlich noch immer mir. Ich habe es gebaut, so wie ich alle ›Häuser der Gründerin‹ gebaut habe. Das Haus kennt mich, deshalb brauche ich keine Erlaubnis, um hereinzukommen.« Amelies Augen funkelten in der Dunkelheit. »Stört dich das?«
Claire schluckte und gab keine Antwort. »Was wollen Sie?«
Amelie hob einen langen, schlanken Finger und deutete auf das Samtkästchen in Claires Hand. »Ich möchte, dass du das trägst.«
»Aber...«
»Das ist keine Bitte, sondern ein Befehl.«
Claire schauderte. Obwohl Amelies Stimme nicht laut wurde, klang sie... hart. Sie öffnete das Kästchen und ließ das Armband herausfallen. Es fühlte sich schwer und warm in ihrer Hand an und sie musterte es vorsichtig.
Es gab keinen Verschluss, aber es war deutlich zu klein, um über ihre Hand zu passen. »Ich weiß nicht, wie...«
Aus dem Augenwinkel sah sie einen Blitz, und als sie aufsah, nahm ihr Amelie gerade das Armband aus der Hand und kalte, starke Finger umfassten ihren Arm.
»Es wurde für dich angefertigt«, sagte Amelie. »Halt still. Anders als die Armbänder, die die meisten anderen Kids tragen, kann deines nicht entfernt werden. Der Vertrag, den du unterschrieben hast, gibt mir dieses Recht, verstehst du?«
»Aber – nein, ich möchte das nicht...«
Zu spät. Amelie bewegte sich und das Armband schien durch Claires Haut und Knochen hindurchzugehen, um sich schwer um ihr Handgelenk zu schließen. Claire versuchte, sich loszureißen, aber sie hatte keine Chance, so stark wie Amelie war. Amelie lächelte und hielt sie noch einen Augenblick lang fest, einfach so aus Prinzip, bevor sie sie wieder losließ. Claire drehte hektisch am Armband, drückte darauf herum und suchte nach dem Trick.
Es sah aus, als hätte es keinen Verschluss, und es ließ sich nicht entfernen.
»Es muss auf diese Weise gemacht werden, auf die alte Weise«, sagte Amelie. »Dieses Armband wird dein Leben schützen, Claire. Du wirst noch an meine Worte denken. Es ist eine Gunst, die ich in meinem ganzen Leben kaum jemandem gewährt habe. Du solltest dankbar sein.«
Dankbar? Claire fühlte sich wie ein Hund an der Leine und sie hasste es. Sie funkelte Amelie an. Das Vampirlächeln wurde noch intensiver. Man konnte nicht wirklich sagen, dass es strahlender wurde – etwas in diesem Lächeln höhlte die ganze Vorstellung von Freude aus.
»Vielleicht wirst du mir zu einem späteren Zeitpunkt noch dankbar sein«, sagte Amelie und zog die Augenbrauen hoch. »Nun gut. Ich verlasse dich jetzt. Zweifellos hast du zu lernen.«
»Und wie soll ich das vor meinen Freunden geheim halten?«, brach es aus Claire heraus, als die Vampirin zur Tür ging.
»Das brauchst du nicht«, sagte Amelie und öffnete die Tür, ohne sie aufzuschließen. »Vergiss nicht, dass du für Myrnin morgen gut vorbereitet sein sollst.« Sie ging in den Flur hinaus und machte die Tür hinter sich zu. Claire stürzte nach vorne und drehte am Knauf, aber sie wollte sich nicht öffnen lassen. Als sie die Verriegelung geöffnet und die Tür aufgemacht hatte, war Amelie verschwunden. Der Flur war leer. Claire stand da und lauschte dem Geschirrgeklapper, das von unten heraufdrang. Ihr war zum Heulen zumute.
Sie rieb sich die Augen und holte tief Luft. Dann ging sie zu ihrem Schreibtisch und versuchte zu lernen.
***
Der nächste Tag brachte eine hektische Abfolge von Unterrichtsstunden, Tests und Diskussionsgruppen mit sich und Claire war froh, als sie Mittagspause hatte. Sie kam sich bescheuert vor in ihrem langärmligen Shirt, aber es war das einzige Kleidungsstück, das sie besaß, mit dem sie das Armband verdecken konnte. Und das wollte sie unbedingt. So weit, so gut. Eve hatte es nicht bemerkt, Shane war noch nicht wach gewesen, als sie zur Uni aufbrachen. Keine Spur auch von Michael. Gestern Abend hatte sie verzweifelt verschiedene Methoden ausprobiert, das goldene Armband loszuwerden – eine Schere, dann einen rostigen alten
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