Haus der Vampire 03 - Rendezvous mit einem Unbekannten-ok
Jungs trug Kisten mit Schnapsflaschen herein. Claire schob sich an zwei Verbindungsjungs vorbei, die sich gerade einen Highfive gaben. »Flüssiger Slip-Entferner ist angekommen!«, schrie einer von ihnen und im anderen Zimmer wurde gejohlt.
Claire schaffte es nach draußen und sog die kühle, klare Nachtluft ein. Sie zitterte, schwitzte und fühlte sich – innerlich und äußerlich – unendlich schmutzig. Das sollte Spaß machen? Ja, vielleicht wenn sie trinken würde und ihr alles egal wäre, dachte sie, dann würde es vielleicht Spaß machen, aber immerhin waren sie hier in Morganville. Bei einem solchen Spaß konnte es passieren, dass man bewusstlos auf einem Bett endet, zusammen mit Fremden... oder in einer Schublade des Leichenschauhauses.
Eve lehnte im Schein der Sicherheitsbeleuchtung an einem Baum und rang nach Atem. Sie sah so glamourös aus wie ein verlorenes Hollywood-Starlet aus den Zeiten des Schwarz-Weiß-Films, abgesehen vielleicht von ihrem knalligen Lippenstift.
»Oh Gott«, stöhnte Eve, und als Claire sich näherte, bemerkte sie, dass sie weinte. »Oh Gott, er hat es getan. Er hat es tatsächlich getan...«
»Das wissen wir nicht«, hörte Claire sich sagen. »Vielleicht hat er sie nur gefunden und hat versucht, ihr zu helfen.«
Eve funkelte sie an. »Er ist ein Vampir! Dort liegt ein totes Mädchen mit Löchern im Hals! Ich bin doch nicht blöd!«
»Ich kann nicht glauben, dass er das tun würde«, sagte Claire. »Komm schon, Eve, glaubst du das? Wirklich? Du kennst ihn. Ist er ein Mörder? Vor allem, wenn er es gar nicht nötig hat?«
Eve schüttelte den Kopf, aber das war nicht wirklich eine Antwort. Sie schüttelte die Frage einfach ab.
Shane kam aus der Küchentür, in den Armen hielt er noch immer das dunkelhaarige Mädchen. »Gehen wir.«
»Wir sind mit Michaels Auto da«, sagte Eve betäubt. »Er hat die Schlüssel. Ich könnte...«
»Nein. Keiner geht jetzt da hoch und ihr zwei haltet euch verdammt noch mal von Michael fern, bis wir wissen, was los ist.« Shane dachte einen Moment lang nach, dann holte er Luft. »Wir gehen zu Fuß.«
»Zu Fuß!«, platzen Claire und Eve gleichzeitig heraus. Eve setzte noch ein »Bist du jetzt nicht mehr ganz dicht?« darauf.
»Claire steht unter Schutz und ich bin in der Stimmung, den ersten Vamp, der mich schief anschaut, windelweich zu prügeln. Außerdem ist es im Moment sicherer, als wenn wir drei« – er schaute auf das namenlose Mädchen in seinen Armen – »als wenn wir vier jetzt zu Michael ins Auto steigen. Ich möchte weglaufen können, falls es nötig wird. Und genug Platz zum Kämpfen haben.«
»Shane …«
»Wir laufen«, unterbrach er sie. »Zuerst zur Uni, dort können wir die hier bei den Campus-Cops abliefern.«
Claire räusperte sich. »Können wir nicht hier auf die Polizei warten?«
»Glaub mir, das geht nicht«, sagte Eve. »Die sind gar nicht freundlich zu Leuten ohne Armband und dazu gehören auch Shane und ich. Und wenn sie dann noch ein ausgesaugtes totes Mädchen finden, dann ist hier die Hölle los. Das Risiko können wir nicht eingehen. Wir müssen hier weg. Sofort.«
Claire hoffte immer noch, dass Michael auftauchen würde, aber er kam nicht. Sie fragte sich, warum. Sie fragte sich auch, wo er gewesen war, als sie das Haus nach ihm absuchten.
Shane steuerte auf die Straße zu, das mit Drogen vollgepumpte Mädchen kicherte in seinen Armen und murmelte vor sich hin. Er hatte ein Opfer gerettet, aber ein anderes verloren. Und diesen zweiten Teil nahm er sehr persönlich.
Claire schaute Eve an, legte den Arm um sie und rannte mit ihr hinter Shane her.
***
Schweigend gingen sie zum Campus. Niemand begegnete ihnen. Die wenigen Autos, die vorbeifuhren, hielten nicht an, und obwohl sie hörten, wie Polizeisirenen auf der Party zusammenliefen, fuhr keines der Polizeiautos in ihre Richtung.
Die Nacht war gerade kühl genug, um angenehm zu sein, die Luft war trocken und frisch. Keine Wolken. Es wäre schön und romantisch gewesen, wenn an diesem Abend nicht alles so mies gelaufen wäre. Eve hatte aufgehört zu weinen, aber das war fast noch schlimmer. Zuvor war sie so glücklich gewesen und nun versank sie in so tiefem Trübsinn, dass sie schon fast nicht mehr richtig gothic wirkte.
Claire taten die Füße weh. Sie war froh, als sie um die Ecke bogen und der große, hell erleuchtete Campus hinter dem schmiedeeisernen Zaun in Sicht kam. Sie würden bis zu einer der vier Pforten gehen müssen, um hineinzukommen.
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