Haus der Versuchung
nicht meine Idee. Sara hat den Termin vereinbart, ohne mich vorab zu informieren. Als ich davon erfuhr, war es zu spät. Außerdem fiel mir kein guter Grund ein, um mir die Gelegenheit entgehen zu lassen, für eine so angesehene Zeitschrift zu schreiben.«
»Ich verstehe das jetzt mal als Sarkasmus«, warf Natalie ein.
»So meine ich das überhaupt nicht. Ihr Magazin ist eine der großen Erfolgsgeschichten dieses Jahres. Ich würde wirklich sehr gern für Sie schreiben.«
Natalie wünschte sich, dieses Bewerbungsgespräch so locker nehmen zu können, wie das Simon anscheinend gelang. Das Problem war: Er hatte recht. Ihr ging die Erinnerung an die Dinge, bei denen er sie beobachtet, und die Kontrolle, die er über sie ausgeübt hatte, einfach nicht aus dem Kopf. Sie fühlte sich, als würde sie nackt vor ihm sitzen, und das machte es ihr extrem schwer, geschäftsmäßig aufzutreten.
Als sie den Artikel überflog, den er ihr ausgehändigt hatte, verstand sie, inwiefern seine Arbeit im Haven dabei eine Rolle gespielt hatte. Der Text war ausgesprochen gut formuliert und schilderte das Ringen mächtiger Frauen mit Political Correctness und den wahren eigenen Wünschen.
»Das ist sehr gut«, sagte sie schließlich, hob den Blick und sah Simon direkt an.
»Aber?«
»Aber was?«
»Ich sehe Ihnen an, dass es ein Aber gibt. Worin besteht das Problem?«
»Ich glaube, es eignet sich nicht für mein Magazin.«
»Nun, das ist interessant«, sagte Simon nachdenklich. »Würden Sie mir wohl noch ein paar Minuten Ihrer Zeit schenken, um das genauer zu erklären?«
Natalie wollte, dass er ging, aber ihr fehlte der Mut, das auszusprechen. Er benahm sich tadellos, und sein Anliegen war absolut vernünftig. Total unvernünftig war dagegen ihre Antwort, und sie wusste es. »Ich stehe im Moment ein wenig unter Zeitdruck«, zog sie sich aus der Affäre.
Simons Gesicht nahm einen verschlossenen Ausdruck an. »Verstehe«, sagte er kurz angebunden und stand auf. »Nun gut, dann vielen Dank, dass Sie sich trotzdem Zeit für mich genommen haben.«
»Warten Sie«, rief Natalie.
»Warum das?«
»Ich sollte es Ihnen genauer erklären. Setzen Sie sich bitte noch einmal. Sie haben ja ohnehin den Tee, den Sie unbedingt haben wollten, noch nicht getrunken.«
Simon griff nach der Tasse. »Was ist also das Problem an diesem Artikel?«
»Er ist zu chauvimäßig. Ich habe kein Problem damit, dass Männer für uns schreiben. Das tun einige. Aber die Textinhalte müssen darauf abgestimmt sein, wie unsere Leserschaft sich fühlt.«
»Ich bin darauf eingestimmt, wie Ihre Leserinnen sich fühlen. Ich sehe jedes Wochenende im Haven welche von ihnen. Oder glauben Sie etwa, der Wahrheitsgehalt meines Artikels ändert sich, nur weil Sie ihn nicht veröffentlichen?«
Natalie fühlte sich ein wenig in die Enge getrieben. »Nein. Ich weiß, dass er stimmt. Ich weiß nur nicht, wie unsere Leserinnen darauf reagieren würden. Ich fürchte, sie würden sich verraten fühlen.«
»Verraten durch wen?«
»Durch unsere Zeitschrift natürlich. Das ist eigentlich nicht unser Thema.«
»Ich dachte, Sie wollten sich mit den Herausforderungen beschäftigen, die sich erfolgreichen Karrierefrauen stellen? Nun, das ist eine davon. Diese Frauen sind unglücklich, weil sie sich nicht trauen, ihre wahren Wünsche zu äußern.«
»Ich hatte noch keinen Artikel in meinem Heft, der sich so explizit mit Sex beschäftigt«, gestand Natalie.
»Es geht auch nicht explizit um Sex. Es geht um Beziehungen, und zwar um Beziehungen der Sorte, nach denen ihre Leserschaft sich verzweifelt sehnt.«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir den Artikel einfach dazulassen?«, schlug Natalie vor. »Ich würde gern noch ein wenig länger darüber nachdenken.«
»Klar, das ist kein Problem.«
»Ich sehe Sie ja sowieso am Freitag, dann kann ich Ihnen Bescheid geben.«
»Auf keinen Fall«, wehrte Simon heftig ab. »Die Art von Beziehung, die wir im Haven miteinander haben, wäre nur sehr schwer fortzusetzen, wenn Sie mir bei Ihrer Ankunft mitteilten, ob Sie möchten, dass ich für Sie arbeite oder nicht. Meinen Sie nicht?«
»Wahrscheinlich«, gestand sie ihm zu. Insgeheim hatte sie gehofft, er würde sich aus genau diesem Grund darauf einlassen. Dann hätte sie zumindest ein klein wenig Macht über ihn, und das würde ihr über die Demütigungen hinweghelfen, die sie sich ausmalte.
»Wenn Sie ihn nicht wollen, sagen Sie mir einfach Bescheid«, meinte Simon.
»Ich entscheide mich
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