Haus der Versuchung
was an Tipps und Ratschlägen darin steht, theoretisch richtig ist, gilt das für die praktische Anwendung nicht immer.«
»Aber wir sprechen Themen an, mit denen Frauen wie wir konfrontiert sind. Eines davon sind doch genau solche Machotypen, oder?«
»Ich denke, es hängt davon ab, wie man Machos definiert.«
»Ja, da hast du sicher recht«, stimmte Natalie ihr zu. »Wir sehen uns morgen früh.«
Auf dem Heimweg kochte sie vor Zorn und konnte sich einfach nicht vorstellen, was Simon an Grace finden mochte. Nicht dass sie unattraktiv gewesen wäre – im Gegenteil –, aber sie wirkte kein bisschen raffiniert und würde für ihn nicht die geringste Herausforderung darstellen. Und für den Fall, dass Simon so für Natalie empfand wie sie für ihn, war es einfach unglaublich, dass er sich in diesem Stadium mit einer anderen verabredete. Insgesamt hatte sein Besuch im Büro also ihren kompletten Tag versaut, und das, wo der Tag an sich schon eher bescheiden gewesen war.
Am Mittwoch war Natalie klar, dass sie Simons Artikel veröffentlichen musste. Er war sehr gut: klug, präzise, und er würde eine Reaktion provozieren, was durchaus nicht unwichtig war. Dennoch war Simon nicht annähernd so begeistert, wie sie es erwartet hatte, als sie ihn anrief und ihm die Neuigkeit mitteilte.
»Das ist toll«, meinte er lässig.
»Ist das alles, was Sie dazu zu sagen haben?«
Einen Moment lang herrschte Schweigen. »Was hätte ich denn sagen sollen?«
»Ich weiß nicht. Ich schätze, ich hatte erwartet, dass Sie sich mehr freuen.«
»Es ist nicht das erste Mal, dass ein Artikel von mir in einer Zeitschrift veröffentlicht wird. Aber natürlich freut es mich sehr, dass Sie ihn für gut genug für Ihr Magazin befinden. War es das, was Sie hören wollten?«
»Ich wollte überhaupt nichts Bestimmtes hören«, giftete Natalie zurück und knallte den Hörer auf.
Der Rest der Woche verlief zäh. Nach einer gefühlten Ewigkeit war sie endlich wieder auf den Landstraßen von Sussex Richtung Haven unterwegs. Diesmal war sie, falls das überhaupt möglich sein sollte, noch nervöser als beim ersten Mal. Damals hatte sie nicht gewusst, was ihr bevorstand. Nun wusste sie, dass sie nicht nur strenger geprüft würde als beim ersten Besuch, sondern sie würde am Schluss auch im Untergeschoss landen und dort eine Lektion erteilt bekommen, bei der andere Gäste zusehen und von ihr lernen sollten.
»Du kannst jederzeit umkehren«, sagte sie laut zu sich selbst und umklammerte dabei das Lenkrad. »Niemand zwingt dich, das hier zu tun.«
Das Problem war, dass es jetzt nicht mehr nur um den Reiz ging, ihre eigene Sexualität besser kennenzulernen. Es ging um Simon. Sie hatte nicht gewagt, Grace nach ihrer Verabredung mit ihm auszufragen, und Grace hatte das Thema von sich aus nicht angeschnitten. Natalie hielt es für möglich, dass sie das Mädchen mit ihrer ersten Reaktion abgeschreckt hatte. Daher hatte sie nun keinen Schimmer davon, was zwischen den beiden vorgefallen war. Grace hatte ab der Wochenmitte ausgesprochen fröhlich gewirkt, aber eigentlich war sie grundsätzlich ein fröhlicher Mensch. Natalie wusste nicht, ob sie sich das lediglich einbildete oder ob ihre Assistentin auf einmal besonders beschwingt auftrat.
Auch diesmal war das Wetter bei ihrer Ankunft prächtig, und die Seminarteilnehmer spazierten bereits über das Gelände. Sie sah niemand, den sie von ihrem ersten Wochenende erkannte, aber sie vermutete, ein oder zwei mussten darunter sein. Immerhin hatte sie erfahren, dass sich fast die Hälfte der Gäste für zwei Wochenenden anmeldete.
Das Mädchen an der Rezeption erkannte sie sogleich. »Guten Abend, Miss Bowen. Hatten Sie eine angenehme Fahrt?«
»Sehr angenehm, danke. Bin ich im selben Zimmer untergebracht wie letztes Wochenende?«
»O nein, diesmal haben Sie ein größeres Zimmer.«
»Bedeutet das einen Aufstieg?«, fragte Natalie lächelnd.
»Sie dürften es brauchen«, erklärte das Mädchen. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, möchte ich Sie bitten, hier einen Moment auf Ihren Lehrer zu warten, der gleich kommen wird, um Sie abzuholen.«
»Sie meinen Simon Ellis?«, fragte Natalie und fürchtete plötzlich, für dieses Wochenende einen neuen Lehrer zugeteilt zu bekommen.
»Selbstverständlich. Wir achten darauf, dass unsere Gäste bei jedem Besuch denselben Lehrer haben.«
»Sie meinen, falls ich mich in, sagen wir, einem Jahr zu einem Auffrischungskurs einfinden würde, bekäme ich ihn
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