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Haus des Glücks

Haus des Glücks

Titel: Haus des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Winkler
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Südseehimmel blasen wird. Wie habe ich immer über den Gestank geschimpft, wenn sie im Hafen lag und der Kapitän die Maschinen arbeiten ließ! Jetzt kommen mir die Tränen vor Wehmut beim Gedanken daran, und ich vermisse sie schon jetzt. Die »Lübeck« war unsere direkte Verbindung nach Deutschland. Sie ließ uns vergessen, daß wir uns hier mitten im Pazifik am Ende der bewohnten Welt befinden.
    Mit der »Lübeck« kamen einige Briefe zu uns. Mutter schreibt von einer schweren Choleraepidemie in Hamburg, die viele Menschen vor allem in den ärmeren Stadtteilen das Leben gekostet hat. Die Totengräber hatten offenbar so viel zu tun, daß man die Opfer dieser schrecklichen Krankheit in Massengräbern bestatten mußte. Vater hat zeitweise zusätzlich zu seiner Tätigkeit in der Praxis im Krankenhaus gearbeitet, weil die Ärzte dort mit der Lage überfordert waren: überfüllte Stationen, Gänge und Flure voller Betten, Ärzte und Schwestern am Rande der Erschöpfung. Ich kann mir vorstellen, wie er in seiner ruhigen, bedächtigen und bestimmten Art Ordnung und Struktur in das Chaos gebracht hat. Wenigstens ist die Seuche jetzt durchgestanden, und meine Familie ist wohlauf. Gott sei es gedankt, daß wir nicht einen Toten zu beklagen haben!
    Vater hat seine Apparatur zur Behandlung des Pleuraempyems endlich vollendet. Mutter hat mir den Artikel aus dem »Ärzteblatt« ausgeschnitten und mitgeschickt, in dem er die medizinische Öffentlichkeit über seine Erfindung informiert. Die Ergebnisse sind offenbar ermutigend. Er hat mir sogar ein Exemplar seines Gerätes geschickt – vermutlich, weil ich den Eltern von meiner Arbeit bei Doktor von Kolle geschrieben habe. Es ist ein schlichter Holzkasten, in dem sich ein kompliziert aussehendes Gebilde befindet, bestehend aus zwei Glaskolben, die über ein verwirrendes Schlauchsystem miteinander verbunden sind. Eine Gebrauchsanweisung und eine ausführliche wissenschaftliche Erklärung der physikalischen Grundlagen der »Drainage«, wie Vater sie nennt, liegt glücklicherweise bei, sonst hätte ich Schwierigkeiten, mir vorzustellen, was womit zu tun ist. Mutter schreibt, daß sie froh war, als die Maschine endlich fertig war: Vater hat offenbar seit unserer Auswanderung nach Samoa Tag und Nacht daran gearbeitet und ist schließlich bis nach Jena gefahren, um Glasbläser zu finden, die in der Lage waren, Kolben in der von ihm gewünschten Qualität zu liefern. Wenn ich mir jetzt dieses Gerät ansehe, läuft mir ein Schauer über den Rücken angesichts der vielen Menschen, denen mit Hilfe dieser Kolben und Schläuche zukünftig das Leben erleichtert, ja, sogar gerettet werden kann. Ich bin so stolz auf Vater! Und dann muß ich natürlich an Frau Petersen vom Blumenstand denken, und mir wird schwer ums Herz. Ob wohl jemals irgendwer erfahren wird, daß sie es war, die in ihrem Leiden Gotthard Bülau den Anstoß zur Erfindung dieser »Drainage« gab? Vermutlich nicht. Aber ich weiß es. Und ich werde morgen am Sonntag im Gottesdienst ihrer gedenken.
    Johanna ist im Mai zum ersten Mal Mutter geworden. Sie hat eine gesunde Tochter zur Welt gebracht und sie tatsächlich Victoria genannt! Ich wünschte, ich könnte meine Schwester umarmen und die Kleine sehen. Sie soll wunderschön sein mit großen blauen Augen. Paul ist mittlerweile auf der Universität in Berlin und studiert Architektur. Das entspricht eher seinen Neigungen als Medizin, wie Mutter es immer so gern gewollt hat. Ich freue mich schon jetzt auf die Bilder von den Häusern, die er entwerfen wird.
    Von Franziska habe ich auch endlich wieder einen Brief erhalten. Die Geburt ihres dritten Kindes hat sie offenbar sehr mitgenommen. Sie schreibt, daß sie lange Zeit hinfällig gewesen ist. Aber mittlerweile geht es ihr besser. Wenn sie über Boston berichtet, könnte man fast neidisch werden, so sehr scheint es Hamburg zu gleichen, selbst das Klima. Andererseits liebe ich unser Leben hier; das Rauschen der Palmen, den Gesang der Vögel, selbst die Tropenluft – mögen andere sie auch als schwül, drückend, heiß und unerträglich feucht empfinden. Wenn ich von der Veranda aus auf das türkisfarbene Meer blicke, weiß ich, daß es keinen schöneren Ort auf dieser Welt gibt.

18
    Tanugamanono, 19 . Juni 1899
     
    Der Konflikt zwischen Deutschland, Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika hat eine neue Dimension erreicht. Die Kriegsschiffe, die vor Samoa kreuzen, sind nicht mehr allein mit dem Fernrohr

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