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Haus des Glücks

Haus des Glücks

Titel: Haus des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Winkler
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Untersuchung meiner Patienten brauche ich ohnehin fast ausschließlich meine Hände, mein Gehör und meine Nase. Die Augen sind dabei nicht so wichtig.«
    »Und was schlagen Sie vor?«
    »Wir sollten erst einmal weitermachen wie bisher. Es hat doch in den vergangenen drei Monaten gut funktioniert. Ich behandele die Patienten, und Sie kontrollieren die Medikamentenausgabe und ähnliche Dinge, die ich nicht mehr richtig sehen kann.«
    »Natürlich könnten wir so verfahren«, sagte sie. »Aber wie sollen wir es geheim halten? Die Patienten sind nicht dumm. Sie werden eines Tages misstrauisch werden, wenn ich Sie ständig überwache.«
    Friedrich versuchte nachzudenken. Wenn nur diese vermaledeiten Kopfschmerzen nicht gewesen wären! Aber es musste eine Lösung geben, es gab immer eine. Wie sein alter Lateinlehrer gesagt hatte – nichts ist unmöglich. Und plötzlich hatte er eine fabelhafte Idee. Jetzt galt es nur noch, Victoria davon zu überzeugen. »Sie sprechen doch Latein?«
    »Ja.«
    »Also hören Sie zu. Sie assistieren mir ohnehin bei den meisten Untersuchungen. Dabei reden wir in Zukunft auf Lateinisch miteinander. Die Patienten werden denken, dass wir uns über Einzelheiten ihrer Erkrankung unterhalten, stattdessen lenken Sie sozusagen meine Hand und ersetzen meine Augen, wenn es etwas zu sehen gibt. Den Unterschied wird niemand bemerken.«
    »Bei der körperlichen Untersuchung mag es noch gehen. Aber was ist, wenn Sie operieren müssen?«
    »Da machen wir es nicht anders. Oder noch besser, im Falle einer Operation handhaben wir es umgekehrt.«
    »Sie meinen, ich soll …«
    »Was ist schon dabei? Sie erzählten mir doch, dass Sie in der Chirurgie gearbeitet haben. Die Patienten sind narkotisiert, die werden nicht merken, wer das Skalpell führt. Und Angehörige lasse ich ohnehin nicht in den Operationssaal.«
    »Aber das geht nicht!«, entgegnete Victoria entsetzt. »Ich gebe zu, ich habe in der Chirurgie gearbeitet. Aber ich habe die Instrumente gereicht, nicht selbst operiert. Ich wüsste gar nicht, wie …«
    »Ach, das ist nicht so schwer«, winkte er ab. Der Gedanke versetzte ihn in Hochstimmung. »Wer mit einem Küchenmesser umgehen kann, kann auch ein Skalpell halten. Und was Ihnen an Anatomiekenntnissen noch fehlt, werden Sie sich bei Ihrer Intelligenz schnell aneignen. Ich borge Ihnen meine Bücher.«
    »Und wenn etwas misslingt?«
    »Was soll denn misslingen? Ich bin doch dabei. Ich werde Ihnen jeden Schritt erklären, und Sie können mich jederzeit fragen.«
    »Ich weiß nicht …« Sie schüttelte zweifelnd den Kopf. »Wir laden eine große Verantwortung auf uns, Doktor.«
    »Kaum mehr als jeder Arzt und jede Schwester«, sagte er. Dann ergriff er über den Schreibtisch hinweg ihre Hand. Ein Kloß saß in seinem Hals. Nie hatte er darüber nachgedacht, wie viel ihm die Praxis, diese jämmerliche kleine Bruchbude, wie er sie manchmal nannte, bedeutete. »Bitte, Victoria. Ich flehe Sie an. Die Medizin, diese Arztpraxis hier, so lächerlich sie Ihnen auch erscheinen mag, ist alles, was ich habe. Nehmen sie es mir auf meine alten Tage nicht weg. Nicht auf diese Art. Nicht, bevor ich dafür bereit bin.«
    »Wie lange wird es denn dauern? Ich meine, wie viel Zeit bleibt Ihnen, bis Sie vollständig …«
    Er konnte erkennen, wie sich ihre Wangen röteten. Friedrich zuckte mit den Schultern. »Bei meinem Vater und Großvater waren es fünfzehn Jahre von den ersten Symptomen bis zur Erblindung. Bei mir scheint die Krankheit allerdings etwas schneller voranzuschreiten.«
    »Und wenn Sie vollständig erblindet sind, was geschieht dann? Wollen Sie in dem Fall etwa immer noch praktizieren? Was wir jetzt gerade miteinander besprechen, bedeutet doch lediglich, das Problem aufzuschieben. Gelöst ist es damit noch nicht.«
    Welch ein erniedrigendes Feilschen!,
dachte er und schämte sich.
Und wofür? Für ein paar Tage? Oder ein paar Monate? Aber zum Teufel mit dem Stolz! Jeder einzelne Tag war wichtig!
    »Für mich gibt es keine Lösung«, sagte er. »Ich wurde nicht gefragt, ob ich diese Krankheit haben will. Meine Erblindung ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Aber ich kann entscheiden, wie ich die Zeit bis dahin verbringe. Wohlwollende Nachsicht oder gar Mitleid sind das Letzte, was ich will. Ich will hocherhobenen Hauptes durch die Straßen von Apia gehen.«
    »Bis Sie im Staub landen, weil Sie über einen Stein gestolpert sind, den Sie nicht sehen konnten.«
    »Das werde ich zu vermeiden wissen,

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