Haus des Glücks
heißen soll, dass Sie immer recht haben.«
»Wir werden sehen. Sie sehen wunderbar aus, Victoria!«
»Schwindler! Wie wollen Sie das denn wissen?«
Wieder hörte er das Lächeln. »Ich weiß genug. Zum Beispiel, dass Sie das hellgraue Kleid tragen, das mit dem kleinen Kragen, der Ihren halben Nacken frei lässt.«
»Woher …«
»Ich höre es am Rascheln des Stoffes«, sagte er und lächelte bitter. »Wenigstens mein Gehör funktioniert noch.«
»Beeindruckend«, erwiderte sie spöttisch. »Aber ich danke für das Kompliment. Und jetzt sollten wir frühstücken. Wir wollen doch unserem neuen Gouverneur die Ehre erweisen und ihm bei seiner Ernennung und dem Hissen der Flagge kräftig zuwinken.«
Friedrich tastete sich im Flur an der Wand entlang zur Küche.
»Guten Morgen, Herr Doktor!«, sagten die Kinder wie im Chor. Sie saßen offenbar bereits um den Tisch versammelt, jedes an seinem Platz.
Er strich jedem von ihnen über den Kopf – über Alexanders feines blondes Haar, den dunklen, dichteren Schopf von Konstantin, den er von seinem Vater geerbt hatte, und über Johannas Locken. Die Kleine quietschte vor Vergnügen. Erst dann setzte er sich an die Stirnseite des Tisches. Victoria verteilte Eier, Brot und Obst und schenkte Milch und Tee in die Tassen.
Eine glückliche, fröhliche Familie,
dachte Friedrich.
Die Sache hat nur einen Haken. Es ist nicht deine Familie. Du bist nicht einmal der Großvater.
»Freut ihr euch schon auf diesen Tag?«, fragte er die beiden Jungs.
»Ja«, sagte Alexander. »Ist es wahr, dass heute die Kapelle spielen wird?«
»Natürlich«, sagte Victoria. »Sie hat auch gespielt, als Vater und ich auf Samoa angekommen sind. Da wird sie es sich doch nicht nehmen lassen, Herrn Solf als neuen Gouverneur zu begrüßen.«
»Wann war das?«, fragte Konstantin.
»Das ist schon eine ganze Weile her. Da wart ihr noch gar nicht auf der Welt.«
»Muss ich wirklich diesen Anzug tragen? Der Kragen kratzt. Und die Schuhe sind …«
Friedrich hörte, wie Konstantin auf seinem Stuhl hin und her rutschte. Victoria war anders als die meisten deutschen Frauen auf Samoa. Sie ließ ihre Kinder mit einheimischen Kindern spielen, und sie trugen oft die landesübliche Kleidung, die sie am Strand und im Wasser nicht behinderte. Meist liefen sie barfuß umher.
»Bei einem Fest muss man einen Anzug tragen!«, sagte Victoria streng. »Das gehört sich so.«
»Nicht einmal ich komme heute darum herum, mich herauszuputzen. Da kennt eure Mutter kein Pardon. Seht nur, wie ich aussehe!« Er schnitt eine Grimasse, die die Kinder zum Lachen brachte.
Eine fröhliche, glückliche Familie. Aber nicht seine. Leider.
Konstantin seufzte ergeben und scharrte mit den Füßen.
»Wann ist es denn so weit?«, erkundigte sich Friedrich.
»Um acht Uhr ist großer Aufmarsch aller wohlgesinnten Bürger Apias auf dem Kai. Danach folgen die offizielle Ernennung des Gouverneurs, das Hissen der Flagge und die Salutschüsse vom Kanonenboot. Anschließend beginnt das Festmahl und heute Abend gibt es am Hafen noch ein Feuerwerk.«
»Ein richtiges Feuerwerk mit bunten Raketen?«
»Jawohl, so hat Herr Solf es mir erzählt.«
»Mama, dürfen wir jetzt schon zum Hafen laufen, um es uns anzusehen?«
»Da wird noch nichts zu sehen sein.«
»Aber wir können uns doch anschauen, wie die Raketen aufgebaut werden.«
»Seid ihr denn fertig mit dem Essen?«
»Ja!«, erklang es zweistimmig. Alexander und Konstantin waren sich einig.
»Dann lauft in Gottes Namen, sonst müsste ich euch wohl noch festbinden. Aber hütet euch davor, euch schmutzig zu machen!«
Die Jungs stoben davon. Friedrich lächelte. Die Fröhlichkeit und Begeisterung der beiden war ansteckend. Es waren wunderbare Kinder. John wäre bestimmt stolz auf sie gewesen. Und auf seine Frau.
Victoria saß auf der Veranda, einen Korb frisch gewaschener Binden auf ihrem Schoß. Im Garten waren Karl und Taisi damit beschäftigt, das Dach des kleinen Geräteschuppens zu reparieren, das im Laufe der Regenzeit undicht geworden war. Sie lauschte dem rhythmischen Hämmern auf Holz, während sie die langen Stoffstreifen aufwickelte. Taisi kniete auf dem Dach und nagelte die Bretter fest, die Karl ihm reichte.
Doch heute war etwas anders. Die beiden Männer sprachen miteinander – das heißt, Karl redete, und Taisi antwortete einsilbig. Dennoch klangen ihre Stimmen schärfer als gewöhnlich. Victoria konnte ihre Worte aufgrund der Entfernung nicht verstehen, außerdem
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