Haus des Glücks
ist eine Schlangengrube eine mit Rosenwasser gefüllte Badewanne. Der Umgang mit Schlangen jeglicher Größe ist mir sehr wohl vertraut.« Er nickte wohlwollend. »Herr Doktor von Kolle hat Sie sehr gelobt.«
Victoria lächelte. »Bei unserem Doktor müssen Sie vorsichtig sein, Herr Gouverneur. Er neigt zu Ironie, Zynismus und Übertreibungen.«
»Was er über Sie erzählt hat, klang aber weder zynisch noch übertrieben.«
»Ich denke, ich möchte es gar nicht wissen. Streichen Sie die Hälfte weg und glauben Sie vom Rest nur ein Drittel, so bleibt mit ein bisschen Glück noch ein Körnchen Wahrheit übrig.«
Herr Solf lächelte. »Selbst dann haben Sie in der Zeit des Krieges Großes geleistet, und zahlreiche Menschen verdanken Ihnen ihr Leben, gnädige Frau.«
»Sehen Sie, wie er übertreibt? Ich bin Krankenschwester, wenn auch ohne Diplom. Die Pflege der Verwundeten ist meine Pflicht. Und das habe ich getan. Nichts weiter.«
»Ich habe gehört, dass Sie gern Ärztin geworden wären.«
Victoria errötete und fragte sich, was dem Doktor das Recht gab, darüber mit Herrn Solf zu sprechen. »Das ist wahr. Leider hatte ich zu meiner Zeit als Frau in Hamburg keinen Zugang zum Studium.«
»Und deshalb sind Sie Krankenschwester geworden?«
»Ja. Ich habe eine Zeitlang in einem Krankenhaus gearbeitet. Dann habe ich meinen Mann kennengelernt, wir haben geheiratet, und es hat uns hierher nach Samoa verschlagen. Noch etwas Kokosmilch, Herr Solf?«
»Nein danke«, erwiderte er und fixierte sie mit seinen blauen Augen. »Ich hörte, Ihr Vater ist Herr Doktor Gotthard Bülau?«
»Das trifft zu.«
»Dann haben Sie wohl einige Ihrer medizinischen Kenntnisse von ihm erworben?«
Was sollte das hier werden? Ein Verhör?
»Ich durfte ihm hin und wieder in seiner Praxis in Hamburg zur Hand gehen. Dabei habe ich gewiss viel gelernt, aber …«
»Hat er Ihnen auch gezeigt, wie man die sogenannte Bülau-Drainage anwendet?«
»Wie bitte?«
»Und wer hat Ihnen beigebracht, wie man das Skalpell hält, um einen Bauchschnitt anzulegen?«
Victoria schloss die Augen und wäre am liebsten im Erdboden versunken. Gleichzeitig war sie wütend. Was hatte der Doktor Herrn Solf erzählt? Aber eines Tages hatte es so kommen müssen. Äther betäubte die Patienten nicht immer, und die Menschen waren nicht dumm. Sie schluckte. »Ich habe im Marienkrankenhaus als OP -Schwester gearbeitet.«
»Tatsächlich?« Er sah sie aufmerksam an. Dann lächelte er versöhnlich. »Verzeihen Sie, Frau Seymour, ich wollte Ihnen keineswegs zu nahe treten. Der Erfolg Ihrer Arbeit während des Krieges ist meines Erachtens genug Legitimation und Beweis Ihrer Fähigkeiten. Wir sind nicht in Berlin.«
Sie warf dem Doktor einen wütenden Blick zu. Auch wenn er es nicht sehen konnte, vielleicht spürte er es wenigstens. Jetzt war klar, dass sie mit ihm noch ein ernstes Wort sprechen musste.
»Beeindruckend. Wirklich beeindruckend.« Herr Solf reichte ihr die Hand. »Ich weiß, dass man in Berlin niemals auf den Gedanken käme, Ihre Verdienste gebührend zu würdigen, Frau Seymour. Aber vielleicht nehmen Sie meinen aufrichtigen Dank im Namen der Bürger Samoas an. Und ich versichere Ihnen, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um die medizinische Situation hier in Apia zu verbessern. Setzen Sie auf eine Liste, was Sie brauchen. Spätestens, wenn ich Gouverneur sein sollte, werde ich meinen Einfluss geltend machen und sehen, was sich beschaffen lässt.« Er warf einen kurzen Blick auf seine Taschenuhr und seufzte. »Leider ist es Zeit für mich, zu gehen. Dieser Herr von Recklingen und seine Frau erwarten mich um halb vier zum Kaffee auf ihrer Plantage.« Er erhob sich. »Ich danke Ihnen für die interessanten Einblicke, die ich gewinnen konnte. Ich hoffe, dass wir unsere Gespräche beizeiten fortsetzen werden, sobald ich mich eingerichtet habe. Ich habe da eine Flasche hervorragenden schottischen Whisky, den Sie gewiss zu schätzen wissen.« Dann drückte er Victoria herzlich die Hand. »Vielleicht kann ich mich schon bald für Ihre Gastfreundschaft revanchieren. Dann bringen Sie aber auch die Kinder mit, ja? Ich würde sie gerne kennenlernen.«
»Gern.«
Sie begleiteten Herrn Solf bis zur Straße und sahen ihm nach.
»Er ist ein kompetenter Bursche«, sagte der Doktor, und das war eines der größten Komplimente, die der Arzt machen konnte.
»Was haben Sie ihm über mich erzählt?«
Er lächelte. »Nur die Wahrheit.«
»Auch was Sie selbst
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