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Haus des Glücks

Haus des Glücks

Titel: Haus des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Winkler
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lesen. Mein Herr Papa würde das nie zulassen. Und mein Herr Großvater schon gar nicht.«
    »Vermutlich meinst du Strindberg. Ibsen ist Norweger. Und unsere Eltern gestatten uns die Lektüre auch nur selten – höchstens in Auszügen.« Victoria klappte das Buch zu und versuchte, sich nicht über Wilhelmines Angewohnheit zu ärgern, ihren berühmten Großvater bei jeder passenden – oder auch unpassenden – Gelegenheit zu erwähnen. Aber es hatte keinen Sinn, Menschen ändern zu wollen. Man konnte nur ihre Eigenheiten hinnehmen, sofern es die gesellschaftlichen Konventionen nicht zuließen, ihnen aus dem Weg zu gehen. Das sagte ihr Vater immer.
    Sie erhob sich ruhig und gelassen, als wäre es ihre Gewohnheit, Besuch in der Bibliothek zu empfangen, und legte das Buch auf den Lesetisch zurück. »Was wolltest du mir denn erzählen?« Sie hakte sich bei Wilhelmine unter und schleuste sie langsam und, wie sie hoffte, unauffällig hinaus in den Salon.
    »Ach, Victoria, mir ist etwas ganz Wunderbares passiert, es ist absolut phantastisch! Rate mal.« Sie wartete nicht auf eine Antwort, sondern fuhr gleich fort. »Peter Behrens, der Sohn des Bankiers, hat am Sonntag beim Tee um meine Hand angehalten! Stell dir das vor!«
    Natürlich konnte eine Wilhelmine Petersen nicht irgendwen heiraten. Es musste schon jemand mit Vermögen und Einfluss sein. Allerdings hatte Victoria erst gestern in der Zeitung gelesen, dass das Bankhaus Behrens gerade einige finanzielle Rückschläge zu verkraften hatte. Eine Verbindung mit der einflussreichen Familie Petersen war für sie in dem Fall gewiss nur von Vorteil. Vermutlich kannte Wilhelmine die Zusammenhänge nicht. Oder ihr war es angesichts der Aussicht auf ein Leben in Wohlstand und im Glanz der Hamburger Gesellschaft egal.
    »Das ist großartig!«, flötete sie und warf Johanna einen verstohlenen Blick zu. Die Schwester verstand sofort und schloss lautlos die Tür hinter ihnen. »Da gratuliere ich dir aber von ganzem Herzen.«
    Sie war Peter Behrens am Samstagabend auf dem Debütantenball kurz vorgestellt worden. Ein kleiner, etwa zwanzigjähriger junger Mann mit deutlichem Bauchansatz, pickeligem Gesicht und speckigem dünnem Haar, das bereits die drohende Glatze erahnen ließ. Das Schlimmste an ihm aber waren seine gespielt tiefe Stimme, die übertrieben theatralischen Gesten und die Art, seine Gesprächspartner sofort davon in Kenntnis zu setzen,
welcher
Familie Behrens er angehörte. Victoria schüttelte es allein bei dem Gedanken an den jungen Mann. Aber auf jeden Topf passte bekanntlich ein Deckel. Sollte Wilhelmine mit ihm glücklich werden.
    »Unsere Eltern haben bereits die Verlobungsanzeige in der Zeitung bestellt. In der kommenden Samstagsausgabe wird es öffentlich bekanntgegeben. Du bist die Erste, der ich davon erzähle!«
    Am heutigen Nachmittag vielleicht,
dachte Victoria. Wilhelmine war kein Mädchen, das Neuigkeiten drei Tage lang für sich behalten konnte, noch dazu eine, die sie selbst betraf.
    »Im Sommer werden wir heiraten. Willst du meine Brautjungfer sein?«
    »Gern«, beeilte sich Victoria zu versichern und versuchte sich vorzustellen, wie viele Mädchen Wilhelmine noch fragen würde oder schon gefragt hatte. Vermutlich die ganze Klasse.
    »Oh, es wird einfach phantastisch werden. Wir werden im Landhaus seiner Familie an der Elbe wohnen. Vielleicht kauft uns sein Vater aber auch ein eigenes Haus, damit wir Platz für die Kinder haben!« Sie kicherte, und ihr Gesicht überzog sich mit einer leichten Röte. »Stell dir vor! Ich werde meinen eigenen Haushalt führen, Tee-Gesellschaften geben und Bankette ausrichten. Du wirst natürlich auch eingeladen.«
    »Danke«, erwiderte sie freundlich. Im Übrigen schien Wilhelmine eher der ganze Wirbel um die bevorstehende Ehe in Entzücken zu versetzen als ihr zukünftiger Ehemann. Victoria hatte gute Lust, es herauszufinden, versuchte aber, sich zurückzuhalten. Sie biss sich sogar auf die Zunge, doch schließlich konnte sie nicht anders. »Erzähle mir doch von deinem Peter«, sagte sie mit gespielter Ernsthaftigkeit. »Ich habe ihn auf dem Ball nur flüchtig kennengelernt. Wie ist er denn so?«
    »Oh.« Wilhelmine dehnte das Wort, während ihre Hände unruhig an ihrem Schirm und den Bändern ihres Kleides herumnestelten. Dann hellte sich ihr Gesicht auf. »Er hat mir bezaubernde Blumen geschenkt – Veilchen, Rosen und Vergissmeinnicht mit einer Seidenschleife. Meine Mutter hat Pralinen bekommen, eine ganze

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