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Haus des Glücks

Haus des Glücks

Titel: Haus des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Winkler
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mein jetziges Buch voll ist. Außerdem habe ich ein Stück englische Maiglöckchenseife gekauft. Es war sündhaft teuer, und ich habe deswegen ein schlechtes Gewissen. Aber ich werde die Seife zwischen meine Wäsche legen, damit meine Kleidung duftet, und nur zu ganz besonderen Gelegenheiten wie Geburtstag oder Weihnachten benutzen. John liebt den Maiglöckchenduft an mir.
    Ich werde mir noch einmal die Schaufenster ansehen, die Auslagen mit den Schuhen, Kleidern und Hüten, den Backwaren. Nicht etwa weil ich Sehnsucht danach habe. Vielmehr möchte ich mir alle Einzelheiten für immer einprägen, um mir in Zukunft jederzeit diese Bilder in Erinnerung rufen zu können. Oder wird es mein Leben in der Südsee einfacher machen, wenn ich all dies hier vergesse?
     
    Victoria schlenderte allein die belebte Hauptstraße von Sydney entlang. Ziellos ließ sie sich von den Menschen treiben, die geschäftig an ihr vorbeihetzten oder auf der Durchreise, wie sie selbst, zum letzten Mal die Wunder dieser großen, fremdartigen Stadt betrachteten.
    Schließlich blieb sie vor dem Schaufenster einer Konditorei stehen. Der Anblick der kleinen Kuchen, der kandierten Früchte und der köstlichen Schokolade ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Am liebsten wäre sie auf der Stelle in das Geschäft gestürmt und hätte sich eines dieser Himbeertörtchen gekauft – oder wenigstens eine Praline. In Zukunft würde sie sich nämlich, noch dazu unter erschwerten Bedingungen, auf ihre eigenen, recht armseligen Koch- und Backkünste verlassen müssen. Aber ihre Barschaft war im Laufe der Reise beträchtlich zusammengeschmolzen. Allein die Miete für ihr Zimmer hier in Sydney hatte sie ein halbes Vermögen gekostet, obwohl sie eine billige Pension am Stadtrand gefunden hatten. Außerdem hatte sie ihr schmales Budget schon genug belastet, indem sie sich die teure Seife gegönnt hatte. Dennoch hatte sie schrecklichen Appetit auf Schokolade! In »Gesundheit im Hause« hatte sie gelesen, dass solche Gelüste – sauer eingelegtes Gemüse, salzige Fische oder Süßigkeiten – normal waren, wenn man ein Kind erwartete. Doch obgleich es die Lage erklärte, wurde sie dadurch nicht einfacher. Tapfer wandte sie sich ab, ging weiter und machte zwei zerlumpten Jungs Platz, die sich an ihrer Stelle mit gierigen Blicken die schmutzigen Nasen an dem Schaufenster platt drückten.
    Sie schlenderte weiter, bog in eine Seitengasse ab, in der es nach frisch gewaschener Wäsche roch, und fand sich schließlich im Hafen an dem Anleger wieder, an dem der Reichspostdampfer
Lübeck
lag. Einige der Matrosen verluden Kisten und Säcke, andere schrubbten das Deck. Der Kapitän, ein stattlicher Mann mit graumeliertem Backenbart und goldenen Knöpfen an der weißen Uniform, lehnte rauchend an der Reling.
    Als er sie sah, nickte er ihr zu. »Moin, moin, gnädige Frau!«, rief er, ohne die Pfeife aus dem Mund zu nehmen. »Haben Sie man keine Angst um ihre Kisten. Die sind sicher im Bauch der
Lübeck
verstaut.«
    »Ich habe auch nichts anderes erwartet!«, rief sie zu ihm hoch und lächelte. Ihr war plötzlich bewusst geworden, dass ihr Weg sie die ganze Zeit zur
Lübeck
geführt hatte. Zwischen all den dunkel- und hellhäutigen Menschen, die sich zum größten Teil auf Englisch verständigten oder Sprachen benutzten, deren Ursprung sie nicht einmal erahnen konnte, war der kleine Reichspostdampfer mit seiner weißen Reling und der schwarzrotgoldenen Flagge am Heck ein Stück Heimat. Der vertraute Klang deutscher Worte aus dem Mund eines Fremden trieb ihr fast die Tränen in die Augen. Auch darauf würde sie wohl bald verzichten müssen. »Bis morgen, Herr Kapitän.«
    »Bis morgen, gnädige Frau. Und grüßen Sie Ihren Herrn Gemahl! Um acht Uhr laufen wir aus!«
    Victoria machte sich auf den Rückweg. Dabei bog sie in die falsche Gasse ab, verirrte sich und stand plötzlich in einem Viertel, das sie nicht kannte. Die Straßen hier waren eng und schmutzig, es roch nach Unrat, schlechtem Essen und Alkohol. Zerlumpte Kinder jagten eine magere Katze. Kneipen mit dreckigen Fenstern, aus denen derbe Flüche und Lieder zu hören waren, reihten sich dicht an dicht. Ein Betrunkener rempelte sie an. Eine stark geschminkte Frau in einem offenherzigen Kleid beobachtete sie misstrauisch und begann zu schimpfen, als sie an ihr vorüberging. Ihre Stimme war schrill, und Victoria war froh, dass sie nicht einmal die Hälfte von dem verstand, was die Frau ihr hinterherschrie. Als sie

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