Haus des Todes
gerade.«
Er schüttelt den Kopf. »Sie wissen, was ich meine. Warum haben Sie nicht längst jemanden konsultiert?«
»Ich dachte, die Schmerzen würden wieder verschwinden.«
Und jetzt schaut er auf, inmitten eines Stichs. »Und wie ist es Ihnen dabei ergangen?«
»Nicht gut«, gebe ich zu.
»Nehmen Sie Schmerztabletten?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Ich bin suchtgefährdet. Ich wollte kein Risiko eingehen.«
»Okay. Sie wollten also gar nichts dagegen unternehmen, sondern abwarten, und jetzt erwähnen Sie es, weil Sie zufällig gerade hier sind. Gehen Sie nach dieser Devise auch bei Ihrer Arbeit vor, Detective?«
»Nein«, sage ich und blicke ihm nicht länger in die Augen. Ich wünschte, ich hätte das Thema nie angesprochen.
»Nein. Genau. Sind es nur die Kopfschmerzen?«, fragt er und legt das Garn und die hakenförmige Nadel beiseite. Dann greift er in seine Brusttasche und zieht eine Taschenlampe heraus.
»Manchmal wird mir auch schwindlig. Und vorhin konnte ich nicht richtig sprechen.«
»Man hat Sie geschlagen, oder?«
»Ja.«
Er leuchtet mir mit der Lampe in die Augen. »Beide Pupillen zeigen normale Reflexe«, sagt er. »Was noch?«
»Nichts.«
»Hatten Sie einen Filmriss? Sind Sie kollabiert? Vergessen Sie manchmal Dinge? Leiden Sie unter einem Verlust der motorischen Fähigkeiten?«
»Nach dem Angriff konnte ich meinen Arm nicht bewegen, aber nur für eine Minute.«
»Okay«, sagt er und steckt die Lampe wieder in die Tasche.
»Okay?«
»Wir werden jetzt Folgendes tun. Ich werde die Wunde zu Ende nähen, und dann werde ich Sie bei uns aufnehmen.«
»Dafür habe ich keine Zeit.«
»Wofür haben Sie denn Zeit? Fürs Sterben? Denn das könnte passieren, wenn wir Sie nicht genauer untersuchen. Sie haben heute ein Schädeltrauma erlitten, zusätzlich zu einem bereits vorhandenen Trauma von dem Schlag mit dem Glas auf Ihren Kopf. Offensichtlich haben Sie eine Hirnverletzung davongetragen. Der Schlag heute auf den Schädel hätte auch tödlich sein können. Wenn Sie morgen mit dem Kopf gegen die Wand knallen, kann Sie das umbringen. Und genauso gut können Sie heute Nacht im Bett sterben.«
»Danke, dass Sie es mir so schonend beibringen. Hören Sie, ich werde vorsichtig sein, versprochen, und wenn dieser Fall abgeschlossen ist, komme ich wieder. Können Sie mir nicht einfach was verschreiben?«
Er seufzt und nickt dann langsam. »Schön«, sagt er und zieht einen Rezeptblock hervor. Er kritzelt etwas auf das oberste Blatt und gibt es mir. Darauf steht: »Wenn Sie jetzt gehen, könnte Sie das umbringen.« Er hat es unterstrichen. Ich falte das Blatt zusammen und lasse es in meine Tasche gleiten.
Über dreißig Stiche und zwanzig Minuten sind nötig, um sämtliche Wunden zu schließen. Als er fertig ist, kehrt die Schwester zurück und legt mir einen Verband an. Sie besteht darauf, mich im Rollstuhl in ein anderes
Zimmer zu bringen. Es ist eine ruhige Fahrt. An den Wänden des Büros, in das sie mich schiebt, hängen Bilder des menschlichen Gehirns und Illustrationen von seinem Querschnitt, und auf dem Schreibtisch steht das Modell eines Gehirns.
»Warten Sie hier«, sagt sie.
»Ehrlich, es geht mir gut«, sage ich.
»Schön. Dann haben Sie bestimmt auch verstanden, was ich gesagt habe.«
Hab ich. Sie verlässt das Zimmer, und dann sitze ich in der Stille und horche in meinen Körper hinein, der mir sagt, dass er fürs Erste versorgt ist. Dass es Wichtigeres zu tun gibt. Seine Argumente überzeugen mich, so sehr, dass ich aus dem Rollstuhl steige und in den Flur trete. Ich meide die Richtung, aus der ich gekommen bin, und gehe in die andere, irre durch die Gänge, bis ich einen Ausgang gefunden habe und nach draußen trete. Und die ganze Zeit halte ich perfekt das Gleichgewicht. Vor dem Krankenhaus stehen mehrere Taxis, und ich steige in das vorderste und lasse mich zum Polizeirevier fahren.
Offensichtlich verstopfen diese Autofreaks gerade den anderen Teil der Stadt, oder sie sind nach Hause gefahren und holen sich zu The Fast and the Furious einen runter. Man hat den Wagen, den ich vorhin gefahren habe, für mich zurückgebracht. Beim Laufen tut mein Bein weh, und weh tut es auch, wenn ich nicht laufe, allerdings nicht ganz so stark. Auf dem Weg ins Polizeigebäude rufe ich Dr. Forster an und muss erneut eine Nachricht hinterlassen.
Als ich das Revier betrete, wird mir ein wenig schwindlig, und während mich der Aufzug in den vierten Stock befördert, wird mir
Weitere Kostenlose Bücher