Haus des Todes
inzwischen ebenfalls getan. Er hat irgendetwas anderes vor, da bin ich mir sicher – ich habe nur keine Ahnung, was, außer
Stanton möglichst viel leiden zu lassen. Vielleicht will er ihm eine kleine Kostprobe von dem geben, was er damals durchgemacht hat, als er seine Tochter verlor.«
»Wozu?«, fragt Schroder.
In diesem Moment verlässt Melanie das Büro. Sie knallt die Tür hinter sich zu und schaut zu uns herüber. Sie weint. »Ich möchte nach Hause«, sagt sie.
»Du solltest …«, beginnt Barlow, doch er wird von Erin Stanton unterbrochen, die gerade aus dem Büro kommt.
»Melanie …«, sagt sie.
»Du bist nicht meine Mutter«, sagt Melanie an sie gewandt, dann wiederholt sie in unsere Richtung: »Ich möchte nach Hause. Aber ich weiß nicht mehr, was mein Zuhause ist.«
»Melanie«, sagt Erin erneut und beugt sich zu ihrer Tochter hinunter, um sie in den Arm zu nehmen.
Doch Melanie wendet ihr den Rücken zu, und ihre Mutter hält sich schluchzend die Hände vors Gesicht, während sie sich wieder aufrichtet. Ihr Freund steht noch in Schroders Büro und beobachtet die beiden beklommen. Er hält sich an seinem Helm fest und wirkt von der Situation überfordert.
»Ich möchte nach Hause.«
»Bald«, sagt Barlow und nimmt ihre Hand. »Versprochen. Aber erst einmal musst du mit deiner Mutter hier warten.«
»Sie hat uns sitzen gelassen.«
»Es tut mir leid, Schätzchen«, sagt Erin.
»Ich mag sie nicht.«
»Bitte sag so was nicht, Schätzchen.«
»Meinen Dad mag ich auch nicht«, sagt Melanie. »Er wollte, dass ich sterbe.«
»So war das nicht, Melanie«, sagt Barlow und versucht, sie zu beruhigen.
»Ich weiß, wie es war«, sagt sie. »Er wollte es so gut machen, wie er konnte. Er wollte nicht, dass irgendeine von uns stirbt, aber er hat eine von uns ausgewählt, und das war ich. Ich bedeute ihm am wenigsten.«
»Komm mit nach Hause«, sagt Erin.
»Nein«, erwidert Melanie. »Du bist noch schlimmer.«
Erin versucht erneut, ihre Tochter zu umarmen, aber Melanie reißt sich los. »Komm mit uns, Melanie.«
»Ich halte das für keine gute Idee«, meint Barlow. »Hören Sie, warum gehen Sie nicht zurück ins Büro und warten dort«, sagt er zu Erin, »ich werde etwas später mit Melanie zu Ihnen kommen, und dann werden wir über alles reden. Okay?«
»Wir brauchen keinen Psychiatriker, der uns erzählt, wie wir unsere Kinder wieder hinkriegen«, sagt Erins Freund.
»Es heißt Psychiater , du Idiot«, sagt Melanie.
Selbst Erin verdreht bei der Bemerkung ihres Freundes die Augen, bevor sie Barlow erneut widerspricht. »Sie ist meine Tochter«, sagt sie. »Ich denke, ich weiß am besten, was jetzt gut für sie ist. Sie sollte jetzt bei ihrer Familie sein.«
»Sie sollte jetzt bei jemandem sein, der sie nicht verlassen hat«, entgegnet Barlow.
»Leck mich doch«, sagt sie.
»Ich wollte Sie nicht verärgern«, sagt Barlow, »aber es ist nun mal eine Tatsache, dass sie sich schutzlos und verlassen fühlt, und momentan …«
»Darum sollte sie mit uns nach Hause kommen.«
»Geben Sie mir noch etwas Zeit mit ihr«, sagt Barlow. »Darum bin ich hier. Lassen Sie mich ihr helfen.«
Erin seufzt demonstrativ, doch dann verschwinden sie und ihr Freund im Büro, und Barlow drückt Melanie einen Zehndollarschein in die Hand. »Los, hol uns was aus dem Automaten«, sagt er. »Ich sterbe vor Hunger.«
»Was wollen Sie?«
»Das Gleiche wie du.«
Und Melanie zieht ab. Barlow fordert uns jedoch nicht auf, uns zu verstecken, bevor sie zurückkehrt.
»Welch Wiedersehensfreude«, sagt Schroder.
»Mir sind die Tränen gekommen«, sage ich. »Glauben Sie, Sie können ihr helfen?«
»Sie meinen, ob ich glaube, einem elfjährigen Mädchen erklären zu können, was für ein Miststück ihre Mutter ist, weil sie ihre Kinder im Stich gelassen hat? Dann müsste ich ihr auch noch erklären, warum ihr Vater sich für sie statt für eine ihrer Schwestern entschieden hat.« Er schüttelt den Kopf. »Alles, was ich damit erreichen würde, wäre, Melanie in ihren Gefühlen zu bestärken. Trotzdem, ich werde sehen, was ich machen kann.«
»Seit Sie hier sind, ist sie sehr viel zugänglicher«, sagt Schroder und deutet mit dem Kopf in Richtung des Automaten. »Hat sie eine Vermutung dazu geäußert, was Cole
so in Panik versetzt haben könnte, dass er seine Pläne über den Haufen geworfen hat?«
»Nein. Sie hat nur gesagt, dass er heute Morgen noch vorhatte, sie später in der Nacht im Schlachthof zu töten,
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